26.05.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Zum Kontrahierungszwang einer Verwertungsgesellschaft gegenüber einem Nutzer, der in der Vergangenheit Rechtsverletzungen begangen und offene (titulierte) Forderungen der Verwertungsgesellschaft in beachtlicher Höhe über lange Zeit bis heute nicht beg

Verwertungsgesellschaften dürfen einem Interessenten ungeachtet der sie treffenden gesetzlichen Verpflichtung, den Nutzern der Werke und Leistungen ihrer Bezugsberechtigungen die Erlangung der erforderlichen Nutzungsbewilligungen zu angemessenen Bedingungen, insbesondere gegen angemessenes Entgelt, tunlichst zu erleichtern (§ 17 Abs 1 VerwGesG), die Einräumung der von ihnen wahrgenommenen Rechte verweigern, wenn dafür ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht


Schlagworte: Urheberrecht, Verwertungsgesellschaft, Erteilung von Nutzungsbewilligungen, Kontrahierungszwang, sachlich gerechtfertigter Grund, Aufführungsverbot
Gesetze:

§ 81 UrhG, § 879 ABGB, § 17 VerwGesG

GZ 4 Ob 222/10s, 12.04.2011

 

Die Klägerin (Verwertungsgesellschaft) erteilte dem Beklagten - er erhielt ehemals von der Klägerin zur Durchführung öffentlicher Musikaufführungen mit Werken des Repertoires der Klägerin eine Werknutzungsbewilligung - ein Musikaufführungsverbot.

 

Der Beklagte macht geltend, dass ihm im Ergebnis die Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit untersagt werde; die Abschlussverweigerung der Klägerin verstoße gegen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) und den Eigentumsschutz des Art 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK.

 

OGH: Nach Auffassung des Senats sind die von LuRsp zum Kontrahierungszwang eines Monopolisten entwickelten Grundsätze auch auf Verwertungsgesellschaften anzuwenden. Diese dürfen einem Interessenten ungeachtet der sie treffenden gesetzlichen Verpflichtung, den Nutzern der Werke und Leistungen ihrer Bezugsberechtigungen die Erlangung der erforderlichen Nutzungsbewilligungen zu angemessenen Bedingungen, insbesondere gegen angemessenes Entgelt, tunlichst zu erleichtern (§ 17 Abs 1 VerwGesG), die Einräumung der von ihnen wahrgenommenen Rechte verweigern, wenn dafür ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht.

 

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass der beträchtliche Zahlungsrückstand des Beklagten, der bereits über Jahre hinweg besteht, die Klägerin dazu berechtigt, dem Beklagten die Erteilung von Nutzungsbewilligungen so lange zu verweigern, bis der Außenstand beglichen worden ist. Da der Beklagte dessen ungeachtet Veranstaltungen angekündigt und durchgeführt hat, die öffentliche Aufführungen von Musikwerken aus dem von der Klägerin verwalteten Werkerepertoire umfassen, erweist sich das auf § 81 Abs 1 UrhG gestützte Unterlassungsbegehren als berechtigt.

 

Dem steht auch das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) nicht entgegen. Nach der Rsp des VfGH sind Beschränkungen der Erwerbsfreiheit nur zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind. Öffentliche Interessen sind auch Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, also etwa auch die durch § 81 UrhG iVm § 18 UrhG geschützten Interessen der Urheber, ein angemessenes Entgelt für die Nutzung ihrer Werke zu erhalten. Die genannten Bestimmungen sind zur Verwirklichung des öffentlichen Interesses auch geeignet, adäquat und sachlich gerechtfertigt, weil sie sicherstellen, dass künftige Werknutzungen erst erfolgen können, wenn den Urhebern das schon fällig gewordene angemessene Werknutzungsentgelt bereits zugeflossen ist.

 

Das Gewicht der Interessen der Urheber rechtfertigt somit den durch das Aufführungsverbot bewirkten zeitlich beschränkten Eingriff in das Recht auf Erwerbsfreiheit, der nur so lange andauert, als den Urhebern angemessenes Werknutzungsentgelt aus Veranstaltungen der Vergangenheit vorenthalten wird. Zu betonen ist dabei der Umstand, dass es sich um eine Beschränkung eines Rechts handelt, die der Betroffene aus eigener Kraft überwinden kann.