02.06.2011 Zivilrecht

OGH: Zulässigkeit privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen Wassergenossenschaft und einem Mitglied über Wasserbezugsrechte bzw Baukostenzuschuss?

Dadurch, dass § 78 Abs 2 WRG auf eine „anderweitige Deckung“ der Kosten zur Erfüllung der Aufgaben der Wassergenossenschaft Bezug nimmt, wird - außerhalb des öffentlich-rechtlich gestalteten Verbandsverhältnisses - der Abschluss einer zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen einer Wassergenossenschaft und ihrem Mitglied ermöglicht; der Maßstab für die Aufbringung der Kosten ist nach dem Verhältnis des zu erlangenden Vorteils oder zu beseitigenden Nachteils festzusetzen


Schlagworte: Wasserrecht, Aufteilung der Herstellungs-, Erhaltungs- und Betriebskosten, privatrechtliche Vereinbarungen, Kostenaufteilungsregel, Rechtswegszulässigkeit, Leistungskondiktion, Rückforderung wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld
Gesetze:

§ 78 WRG, § 85 WRG, § 879 ABGB, § 1431 ABGB, § 1 JN

GZ 1 Ob 30/11k, 31.03.2011

 

OGH: Zunächst ist auf die von den Vorinstanzen nicht geprüfte Frage der Rechtswegszulässigkeit für den Rückforderungsanspruch des Klägers gegenüber der beklagten Wassergenossenschaft einzugehen. Die Unzulässigkeit des Rechtswegs wäre in jeder Lage des Verfahrens (auch noch im Rechtsmittelverfahren) von Amts wegen wahrzunehmen.

 

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind zunächst der Wortlaut des Klagebegehrens und die Klagsbehauptungen von Bedeutung. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund ausschlaggebend ist. Danach ist zu entscheiden, ob ein privatrechtlicher Anspruch iSd § 1 JN erhoben wurde, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Der Kläger fordert von der Beklagten den Klagsbetrag wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld zurück. Die Beklagte habe von ihm unzulässigerweise eine „Wasserbereitstellungsgebühr“ verlangt, die in ihrer Satzung nicht vorgesehen sei. Seine „Verpflichtungserklärung“ sei wegen massiver Ungleichbehandlung gegenüber anderen Anschlusswerbern wirkungslos. Bereicherungsansprüche gehören dann nicht vor die ordentlichen Gerichte, wenn das zu Grunde liegende Rechtsverhältnis als öffentlich-rechtliches zu qualifizieren ist, weil ein Teil als Träger hoheitlicher Gewalt auftrat. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil Wassergenossenschaften keine hoheitlichen Befugnisse haben.

 

Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte hängt zudem davon ab, ob ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, der nicht ausdrücklich durch das Gesetz vor eine andere Behörde verwiesen wird. Gem § 85 Abs 1 WRG hat die Wasserrechtsbehörde über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis entspringenden Streitfälle zu entscheiden, die nicht iSd § 77 Abs 3 lit i WRG (in der Satzung vorgesehenes Schlichtungsverfahren) beigelegt werden. Streitfälle entspringen dann aus dem Genossenschaftsverhältnis, wenn sie Mitglieder oder Organe einer rechtskräftig gebildeten Wassergenossenschaft betreffen und wenn der Rechtsgrund der strittigen Befugnisse oder des strittigen Anspruchs in den §§ 73 bis 86 WRG oder in der Satzung oder in einschlägigen Übereinkommen („besonderen Übereinkommen“ nach § 78 Abs 2 WRG) oder in ordnungsgemäßen Beschlüssen der Genossenschaftsorgane wurzelt. Gegenstand einer Streitigkeit aus dem Genossenschaftsverhältnis kann also nur sein, was das WRG und die darauf gegründeten Rechtsakte, insbesondere die Satzungen, über das Genossenschaftsverhältnis bestimmen, wenn somit das Genossenschaftsverhältnis für die geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach bestimmend ist.

 

So entscheidet über Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis die Wasserrechtsbehörde auch dann, wenn die Regelung über die Aufteilung der Kosten in die Form eines Vertrags - Brunnenordnung als „besonderes Übereinkommen“ iSd § 78 Abs 2 WRG - gekleidet wurde. Ein solches „besonderes Übereinkommen“, das von den Mitgliedern der Wassergenossenschaft abgeschlossen wurde und generell oder für einzelne Kosten Regelungen über die Kostentragung enthält und gem § 77 Abs 5 WRG der Zustimmung der Wasserrechtsbehörde bedarf, ist hier aber nicht zu beurteilen.

 

Nach der Rsp des VwGH ist der Rückforderungsanspruch von Beitragsleistungen an eine Wassergenossenschaft kein zivilrechtlicher Anspruch. Bei Streitigkeiten hierüber handelt es sich um solche aus dem Genossenschaftsverhältnis, sodass die Zuständigkeit der genossenschaftlichen Streitschlichtungsstelle und in der Folge der Wasserrechtsbehörde (§ 85 Abs 1 WRG) besteht. Diesen Entscheidungen lag allerdings nicht die Rückzahlung behauptungsgemäß zu Unrecht geleisteter Beiträge aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung zu Grunde. Die Rückforderung des hier nach den Klagsbehauptungen ohne Rechtsgrund Geleisteten fußt weder unmittelbar im Neunten Abschnitt des WRG noch in der Satzung oder einem „besonderen Übereinkommen“ und auch nicht in einem Beschluss der Genossenschaftsorgane, sondern in der privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Kläger als Genossenschaftsmitglied und der beklagten Wassergenossenschaft. Deren Unzulässigkeit behauptet der Kläger. Ein solcher Anspruch auf Zahlung einer zivilrechtlichen Schuld gem § 1431 ABGB ist aber kein Streitfall iSd § 85 Abs 1 WRG, der in die Entscheidungskompetenz der Wasserrechtsbehörde fiele.

 

Für den vom Kläger erhobenen Bereicherungsanspruch ist daher der Rechtsweg zulässig.

 

Wassergenossenschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 74 Abs 2 WRG), deren Zweck ua, wie auch im Fall der Beklagten, die Versorgung der Mitglieder mit Trink- und Nutzwasser sein kann (§ 73 Abs 1 lit b WRG). Ein behördlicher Akt (Bescheid) ist notwendige Voraussetzung für das Entstehen; das Verbandsverhältnis ist zu einem erheblichen Teil öffentlich-rechtlich gestaltet. Satzungen von Wassergenossenschaften sind - ab Anerkennung durch Bescheid der Wasserrechtsbehörde - gleichfalls öffentliches Recht, jedoch keine Verordnungen. Das Verhalten physischer Personen in Verfolgung statutarischer Zwecke, das Wassergenossenschaften zuzurechnen ist, wurzelt somit im öffentlichen Recht. Demgemäß sind deren Rechtsbeziehungen zu Mitgliedern und außenstehenden Interessenten sowie - in Genossenschaftsangelegenheiten - jene der Mitglieder untereinander öffentlich-rechtlicher Natur.

 

Wie bereits dargelegt, haben Wassergenossenschaften keinerlei hoheitliche Befugnisse. In der Entscheidung 1 Ob 27/76 (SZ 49/162) sprach der OGH zwar zunächst aus, dass privatrechtliche Vereinbarungen zwischen einer Wassergenossenschaft und „Interessenten“ (Dritten) über den Zweck der Genossenschaft betreffende Angelegenheiten (Wasserversorgung) grundsätzlich „nicht in Betracht kommen“, hielt jedoch abschließend fest, dass grundsätzlich auch die Wassergenossenschaft wie jede juristische Person öffentlichen Rechts berechtigt ist, privatrechtliche Verbindlichkeiten einzugehen. In casu verneinte er in Anwendung vertragsrechtlicher Grundsätze das Zustandekommen des Vertrags zwischen der Wassergenossenschaft und einem „Interessenten“. Dass eine Wassergenossenschaft wie jede andere juristische Person öffentlichen Rechts auch privatrechtliche Verbindlichkeiten eingehen kann, wurde in 1 Ob 305/00k fortgeschrieben.

 

Das WRG schließt die Zulässigkeit einer privatrechtlichen Vereinbarung (hier über einen Beitrag zur Errichtung des Hochbehälters [„Wasserbereitstellungsgebühr“]) zwischen der Wassergenossenschaft und ihrem Mitglied nicht aus. Gem § 78 Abs 2 WRG sind Kosten, die der Genossenschaft aus der Erfüllung ihrer Aufgaben erwachsen und nicht anderweitig gedeckt werden können, nach dem durch die Satzungen oder durch „besondere Übereinkommen“ festgesetzten Maßstab auf die Mitglieder umzulegen. Eine „anderweitige Deckung“ iS dieser Bestimmung kann auch durch besondere Leistungen der Mitglieder erfolgen. Dadurch, dass § 78 Abs 2 WRG auf eine „anderweitige Deckung“ der Kosten zur Erfüllung der Aufgaben der Wassergenossenschaft Bezug nimmt, wird - außerhalb des öffentlich-rechtlich gestalteten Verbandsverhältnisses - der Abschluss einer zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen einer Wassergenossenschaft und ihrem Mitglied ermöglicht. Es muss sich dabei aber um privatrechtliche Vereinbarungen handeln, die den Zweck der konkreten Wassergenossenschaft betreffen (vgl § 73 WRG). Zudem ist der Grundsatz der Gleichbehandlung der Genossenschaftsmitglieder zu beachten. Dieser Grundsatz ergibt sich bei den dem Genossenschaftsrecht unterliegenden Genossenschaften aus dem Treuegebot der Genossenschaft gegenüber Mitgliedern, bei den dem öffentlichen Recht unterliegenden Genossenschaften - wie einer Wassergenossenschaft - aus Art 7 Abs 1 B-VG. Der sowohl die Gesetzgebung als auch die Vollziehung bindende Gleichheitsgrundsatz wird als umfassendes Willkürverbot verstanden, er gebietet es, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, und lässt damit nur „sachlich gerechtfertigte“ Differenzierungen zu. Der Gleichheitsgrundsatz verlangt für privatrechtlich agierende Körperschaften des öffentlichen Rechts eine sachliche Rechtfertigung für die konkrete Gestaltung einer Ausnahmeregelung.

 

Aus den dargelegten Grundsätzen ergibt sich, dass die am 18. 9. 2007 zwischen dem Kläger und der Beklagten getroffene Vereinbarung rechtswirksam zustande kam. Der Kläger verpflichtete sich zur Zahlung einer „Wasserbereitstellungsgebühr“ von 22.000 EUR als Beitrag für die Errichtung eines Hochbehälters durch die Beklagte. Dessen Errichtung ist zur Sicherstellung der Wasserversorgung des Bauprojekts mit zahlreichen Wohneinheiten auf den beiden Grundstücken des Klägers, wovon jedenfalls eines bisher nur land- und forstwirtschaftlich genutzt wurde, erforderlich.

 

Nach § 5 Abs 1 der Satzungen der Beklagten haben die Genossenschaftsmitglieder nach Gesetz und Satzung zu den Kosten ua der Herstellung der gemeinsamen Wasserversorgungsanlage beizutragen. Wie bereits ausgeführt, ermöglicht das WRG auch eine zivilrechtliche Vereinbarung über einen solchen Beitrag. Zudem können nach § 6 Abs 1 lit a der Satzungen die Mittel etwa zur Errichtung einer genossenschaftlichen Wasserversorgungsanlage auch durch Leistungen der Mitglieder in Form von Barzahlungen aufgebracht werden. Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, dass die genehmigten Satzungen freiwillige Barzahlungen und damit vertragliche Vereinbarungen über eine solche Mittelaufbringung gestatten.

 

Soweit der Kläger damit argumentiert, dass mit der privatrechtlichen Vereinbarung eine „willkürliche Vorschreibung“ von Beiträgen stattgefunden habe, trifft das nicht zu. Ausgangspunkt ist die (analogiefähige) gesetzliche Kostenaufteilungsregel des § 78 Abs 3 WRG, wonach mangels eines „derartigen Maßstabs“ in Satzungen oder „besonderen Übereinkommen“ die Kosten a) für hier nicht relevante Ent- und Bewässerungen nach dem Ausmaß der einbezogenen Grundflächen und b) für die - nach dem vom Kläger verfolgten Zweck maßgebliche - Versorgung mit Trink- und Nutzwasser nach dem Wasserverbrauch zu berechnen sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll damit die Aufteilung von Kosten nach dem Wasserverbrauch erfolgen, was jedenfalls bei der Versorgung mit Trink- und Nutzwasser wie hier zu gelten hat. Allen in § 78 Abs 3 WRG vorgesehenen Berechnungsansätzen kann der im Abs 5 dieser Gesetzesstelle verankerte verallgemeinerungsfähige Aufteilungsgrundsatz zu Grunde gelegt werden, dass der Maßstab für die Aufbringung der Kosten nach dem Verhältnis des zu erlangenden Vorteils oder zu beseitigenden Nachteils festzusetzen ist. Diese Grundsätze einer sachgerechten und billigen Aufteilung werden durch die gesetzliche Regelung des § 78 Abs 4 WRG, wonach bestehende Verpflichtungen und besondere Vorteile, die die Genossenschaft einzelnen Mitgliedern bietet, oder Lasten, die sie ihnen abnimmt, aber auch Vorteile, die der Genossenschaft durch einzelne Mitglieder erwachsen, entsprechend zu berücksichtigen sind, bestätigt.

 

Das Grundstück 705/1 war ursprünglich landwirtschaftlich genutzt. Dass das Bauprojekt des Klägers mit 22 Wohneinheiten auf diesem Grundstück zuzüglich 3 Wohneinheiten auf seinem weiteren Grundstück einen vermehrten Wasserverbrauch verursachen wird, liegt auf der Hand und wird vom Kläger auch nicht bestritten. Dem individuellen Vorteil des Klägers auf ausreichende und einwandfreie Trinkwasserversorgung des Projekts steht aber der Investitionsbedarf der Beklagten zur Sicherstellung dieser Versorgung gegenüber. Wenn sich der Kläger mit der Beklagten privatrechtlich einigt, dass er für den allein ihm - und nicht anderen Genossenschaftsmitgliedern - zu Gute kommenden Vorteil einen Kostenbeitrag an die Beklagte zur Abdeckung des anteiligen Investitionsbedarfs zur Sicherstellung seiner Wasserversorgung leistet, ist dies sachlich gerechtfertigt. Dass der vereinbarte Betrag (22.000 EUR) nicht dem von ihm erlangten Vorteil entspricht, behauptet der Kläger nicht. Der erstmals erhobene Einwand, der Obmann der Beklagten sei zum Abschluss dieses Vertrags für die Wassergenossenschaft nicht berechtigt gewesen, trifft nicht zu (§ 78a Abs 4 erster Satz WRG).

 

Dem Rückforderungsbegehren des Klägers steht daher die zulässige und rechtswirksame Vereinbarung vom 18. 9. 2007 entgegen. Soweit das Klagebegehren allein auf den Rechtsgrund der Zahlung einer Nichtschuld gestützt wird, war es daher abzuweisen.