09.06.2011 Zivilrecht

OGH: Hinterlegung gem § 1425 ABGB iZm mehrseitigem Treuhandverhältnis

Eine Hinterlegung nach § 1425 ABGB durch einen Treuhänder ist dann nicht gerechtfertigt, wenn eine unklare Rechtslage nicht durch unterschiedliche Interessen der Treugeber, sondern durch Anspruchstellung Dritter an einen der Treugeber entsteht und ein entsprechendes Drittverbot nicht besteht


Schlagworte: Mehrseitiges Treuhandverhältnis, gerichtliche Hinterlegung der Schuld
Gesetze:

§§ 1002 ff ABGB, § 1425 ABGB

GZ 1 Ob 168/10b, 15.12.2010

 

OGH: Bei einem mehrseitigen Treuhandverhältnis stehen zwei oder mehrere von gegensätzlichen Interessen geleitete Treugeber einem Treuhänder gegenüber. Der Treuhänder ist jedem der Treugeber gegenüber verpflichtet, das übertragene Recht iSd Treugebers auszuüben. Er hat die gegensätzlichen Interessen aller Treugeber bestmöglich zu wahren.

 

Bei einer mehrseitigen offenen Treuhand zum Zwecke der Abwicklung eines Liegenschaftskaufs hat der Treuhänder für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgaben einzustehen. Es kommt darauf an, wozu sich der Treuhänder im konkreten Fall verpflichtet hat. Der Inhalt der Treuhandschaft richtet sich also nach den getroffenen Vereinbarungen und der Parteienabsicht. Bei Auftreten eines Konflikts zwischen den Treugebern einer mehrseitigen Treuhand kann der Treuhänder bei unklarer Sach- oder Rechtslage bei Gericht erlegen, er ist hiezu jedoch nicht verpflichtet.

 

Obligatorische Beziehungen Dritter zu einem Treugeber verändern die Treuhandpflichten nicht, sie gewähren va dem Dritten nicht eine Gläubigerstellung gegen den Treuhänder. Die Wahrung von Interessen des Dritten, dem - im Verhältnis zum Treuhänder - keinerlei Gläubigerrechte eingeräumt sind und damit auch kein Forderungsanspruch auf den Treuhanderlag zusteht, kommt daher nicht in Frage; ein Gerichtserlag aus diesem Grund ist nicht möglich. Zur Wahrung der Interessen Dritter kann deshalb die gerichtliche Hinterlegung nicht in Anspruch genommen werden. Eine Hinterlegung nach § 1425 ABGB durch einen Treuhänder ist daher dann nicht gerechtfertigt, wenn eine unklare Rechtslage nicht durch unterschiedliche Interessen der Treugeber, sondern durch Anspruchstellung Dritter an einen der Treugeber entsteht und ein entsprechendes Drittverbot nicht besteht.

 

Anders als bei einem Streit zwischen den Treugebern, der - ähnlich dem Prädentenstreit - die rechtliche Beziehung dieser zueinander betrifft, liegen beim Doppelverkauf die Umstände für die Gefahr einer doppelten Beanspruchung (Sachleistung oder Schadenersatz) aufgrund zweier verschiedener Rechtstitel auf Seiten eines Treugebers, sodass schon deswegen das Hinterlegungsrecht ausscheidet.