22.06.2011 Verfahrensrecht

OGH: Gerichtsstandsvereinbarung in Rechtsstreitigkeiten gegen den Versicherer gem Art 13 Z 5 iVm Art 14 Z 5 EuGVVO

Ausführungen zum Begriff „Großrisiko“ iSd Art 14 Z 5 EuGVVO (iZm Landfahrzeug-Kasko)


Schlagworte: Internationales Verfahrensrecht, Versicherungsrecht, Gerichtsstandsvereinbarung, Großrisiko, Landfahrzeug-Kasko
Gesetze:

Art 13 Z 5 EuGVVO, Art 14 Z 5 EuGVVO

GZ 7 Ob 203/10v, 11.05.2011


OGH: Die Klägerin erkennt selbst, dass sie sich auf den Klägergerichtsstand nach Art 9 Abs 1 lit b EuGVVO nur dann berufen kann, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 13 Z 5 EuGVVO nicht zulässig wäre. Die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung richtet sich nach der Rsp des EuGH nach dem Zeitpunkt der Klagseinbringung.

 

Eine Gerichtsstandsvereinbarung in Rechtsstreitigkeiten gegen den Versicherer ist dann zulässig, wenn eines oder mehrere der in Art 14 aufgeführten Risiken gedeckt sind. Dazu gehören nach Art 14 Z 5 EuGVVO alle „Großrisiken“ entsprechend der Begriffsbestimmung in der Richtlinie 73/239/EWG des Rates, geändert durch die Richtlinie 88/357/EWG und die Richtlinie 90/918/EWG, in der jeweils geltenden Fassung. Die Grundlage der Ausnahme von Art 9 EuGVVO liegt darin, dass bei Versicherungen von Großrisiken kein Schutzbedürfnis für den Versicherungsnehmer besteht.

 

Art 14 Z 5  EuGVVO enthält mit der Wendung „in der jeweils geltenden Fassung“ eine dynamische „Verweisung“. Aufgrund dieser dynamischen Verweisung soll sich jede spätere Änderung der Richtlinie 73/239/EWG auf den Bereich der von Art 14 Nr 5 EuGVVO erfassten Großrisiken auswirken. Der Einwand der Klägerin, es hätte einer gesonderten Umsetzung der Richtlinien 88/357/EWG und 90/918/EWG bedurft, um sie anwenden zu können, geht daher ins Leere.

 

Demnach wird der Begriff „Großrisiko“ in Art 5 lit d der Richtlinie 73/239/EWG des Rates, geändert durch die Richtlinie 88/357/EWG und die Richtlinie 90/918/EWG,  geregelt (iii) als die unter den Zweigen 3, 8, 9, 10, 13 und 16 von Buchstabe A des Anhangs eingestuften Risiken, sofern der Versicherungsnehmer mindestens zwei der angeführten Kriterien, darunter eine Bilanzsumme: 6,2 Mio. EUR und ein Nettoumsatz: 12,8 Mio. EUR, überschreitet.

 

Buchstabe A des Anhangs zur Richtlinie 73/239/EWG des Rates, geändert durch die Richtlinie 88/357/EWG und die Richtlinie 90/918/EWG bezieht sich in Zweig 3 auf Landfahrzeug-Kasko (ohne Schienenfahrzeuge), nämlich sämtliche Schäden - an Landkraftfahrzeugen - Landfahrzeugen ohne eigenen Antrieb und in Zweig 9 auf sonstige Sachschäden, nämlich sämtliche Sachschäden (soweit sie nicht unter die Zweige 3, 4, 5, 6 und 7 fallen), die durch Hagel oder Frost sowie durch Ursachen aller Art (wie zB Diebstahl) hervorgerufen werden, soweit diese Ursachen nicht unter Zweig 8 erfasst sind. Das bedeutet, weil Ausnahmen nicht vorliegen, dass die vorliegende Truck and Trailer Versicherung insgesamt unter die Zweige 3 und 9 zu subsumieren ist. Damit liegt ein Großrisiko vor.

 

Die Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 11. 2009 fasst nach ihrer Erwägung (1) die Richtlinie 73/239/EWG aus Gründen der Klarheit neu. In Art 13 Z 27 lit c der Richtlinie 2009/138/EG ist das Großrisiko geregelt. Nach deren Art 311 tritt sie am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Abgesehen davon, dass die Richtlinie zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch nicht in Kraft war, sind die maßgeblichen Bestimmungen ohnehin wortgleich mit den hier anzuwendenden.

 

In Art 5 lit d der Richtlinie 73/239/EWG des Rates, geändert durch die Richtlinie 88/357/EWG und die Richtlinie 90/918/EWG (ebenso wie in Art 13 Z 27 der noch nicht in Geltung stehenden Richtlinie 2009/138/EG) ist  noch Folgendes geregelt: „Gehört der Versicherungsnehmer zu einer Unternehmensgruppe, für die der konsolidierte Abschluss nach Maßgabe der Richtlinie 83/348/EWG erstellt wird, so werden die genannten Kriterien auf den konsolidierten Abschluss angewandt.“

 

Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, ist bei der Beurteilung, ob die in der Richtlinie genannten Obergrenzen überschritten wurden, auf den Abschluss der Unternehmensgruppe, zu der der Versicherungsnehmer gehört, abzustellen. Da bereits die Klägerin und Versicherungsnehmerin zwei der relevanten Kriterien des Art 5 lit d der Richtlinie 73/239/EWG des Rates, geändert durch die Richtlinie 88/357/EWG und die Richtlinie 90/918/EWG, überschreitet, kommt es auf die Daten der mitversicherten Gesellschaft nicht an.

 

Gegenstand des Versicherungsvertrags ist damit ein Großrisiko, eine Gerichtsstandsvereinbarung ist daher zulässig. Das Gericht am Sitz der Beklagten ist nach Art 23 Abs 1 EuGVVO ausschließlich zuständig, sodass § 48 VersVG hier schon deshalb nicht gilt. Abgesehen davon kann der Wahlgerichtsstand ohnedies nicht durch einen Versicherungsmakler (wie hier) begründet werden.