OGH: Vernehmung des Angeklagten und Recht auf Besprechung zwischen Verteidiger und Angeklagtem gem § 245 Abs 3 StPO; Fragerecht des Angeklagten iSd § 249 Abs 1 StPO
§ 245 Abs 3 StPO gewährt kein Recht auf jederzeitige Besprechung zwischen Verteidiger und Angeklagtem; ein Anspruch, das Fragerecht iSd § 249 Abs 1 StPO in bestimmter Form, insbesondere von einem bestimmten Sitzplatz aus wahrzunehmen, ist weder aus dieser Bestimmung, noch aus Art 6 Abs 3 lit d EMRK abzuleiten
§ 245 Abs 3 StPO, § 249 Abs 1 StPO, Art 6 EMRK
GZ 13 Os 134/10w, 12.05.2011
Die Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) reklamiert, der Bf sei aufgrund des durch Beschluss des Schöffengerichts ihm zugewiesenen Sitzplatzes in seinem Recht auf ein faires Verfahren beschnitten worden. Er habe „unmittelbar vor den Zuschauern“ in mehreren Metern Entfernung von seinem Verteidiger und „hinter dem Platz, auf dem die Zeugen bzw informierten Vertreter (Sachverständigen) vernommen wurden“ sitzen müssen, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, sich mit seinem Verteidiger zu besprechen und die Reaktionen der vernommenen Personen zu beobachten.
OGH: § 245 Abs 3 StPO gewährt dem Beschwerdevorbringen zuwider kein Recht auf jederzeitige Besprechung zwischen Verteidiger und Angeklagtem. Dass das Erstgericht dem Bf eine Beratung mit seinem Verteidiger über sein Prozessverhalten oder etwa eine Unterbrechung der Hauptverhandlung zu diesem Zweck tatsächlich verweigert hätte, behauptet die Rüge gar nicht.
Davon abgesehen enthält § 249 Abs 1 StPO das - durch die kritisierte Beschlussfassung als solches nicht beschränkte - Recht des Angeklagten, selbst (zusätzlich zu seinem Verteidiger) Fragen an jede zu vernehmende Person zu stellen. Ein Anspruch, dieses Fragerecht in bestimmter Form, insbesondere von einem bestimmten Sitzplatz aus wahrzunehmen, ist jedoch weder aus dieser Bestimmung, noch aus Art 6 Abs 3 lit d EMRK abzuleiten. Dieser gewährt dem Angeklagten nach Rsp des EGMR zwar ein Recht auf „Konfrontation“ mit zu vernehmenden Personen, worunter jedoch nicht unbedingt eine physische Gegenüberstellung („von Angesicht zu Angesicht“), sondern eine sachlich-inhaltliche in Form einer aktiven Befragung dieser Personen und eines Infragestellens ihrer Aussage zu verstehen ist. Dass durch die kritisierte Vorgangsweise des Erstgerichts Verfahrensgrundsätze missachtet worden wären, deren Einhaltung grundrechtlich zur Sicherung eines (insgesamt) fairen Verfahrens geboten gewesen wären, vermag die Rüge somit nicht darzulegen, zumal eine Beeinträchtigung der Befragungsmöglichkeit durch den Verteidiger gar nicht behauptet wird.