OGH: Auflösend bedingt ausgesprochene Änderungskündigung und Anfechtung nach § 105 ArbVG
Eine auflösend bedingt ausgesprochene Änderungskündigung befindet sich bis zur Erklärung des Arbeitnehmers, das Änderungsanbot anzunehmen oder abzulehnen, längstens bis zum Ablauf der für diese Erklärung gesetzten Frist, in einem Schwebezustand („bedingte Wirksamkeit“), der einer Anfechtung nach § 105 ArbVG entgegensteht; dies hat aber keinen Einfluss auf die Notwendigkeit, vor Ausspruch der Kündigung das Vorverfahren nach § 105 ArbVG durchzuführen
§ 105 ArbVG
GZ 8 ObA 57/10f, 22.02.2011
OGH: Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, eine auflösend bedingt ausgesprochene Änderungskündigung befinde sich bis zur Erklärung des Arbeitnehmers, das Änderungsanbot anzunehmen oder abzulehnen, längstens bis zum Ablauf der für diese Erklärung gesetzten Frist, in einem Schwebezustand („bedingte Wirksamkeit), der einer Anfechtung nach § 105 ArbVG entgegensteht, entspricht der schon vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 8 ObA 216/94 und auch der hL.
Da die Gerichte nicht über bloß theoretische Sachverhalte zu urteilen haben, kommt eine Anfechtung der Kündigung erst dann in Frage, wenn ihr Bestehen nicht mehr von einer rechtsgestaltenden Willenserklärung des Gekündigten abhängt. Der Unterscheidung zwischen resolutiver und suspensiver Bedingung kommt aus diesem Blickwinkel keine entscheidende Bedeutung zu, weil in beiden Fällen dem Kläger ein Rechtschutzinteresse zur Anrufung des Gerichts fehlt, solange er selbst durch seine Willenserklärung auf die Wirksamkeit der Kündigung Einfluss nehmen kann. Diese Überlegung gilt hingegen nicht für das Vorverfahren nach § 105 ArbVG, insbesondere die Verständigung des Betriebsrats; die im Revisionsrekurs zitierte Ansicht Reissners in ZellKomm § 20 AngG Rz 108, die sich „insbesondere“ auf das Vorverfahren bezieht, sich dabei aber gerade auch auf die Entscheidung 8 ObA 216/94 stützt, vermag daher kein abweichendes Ergebnis zu tragen.
Der Gesetzeswortlaut des § 105 Abs 4 ASVG behandelt den Sonderfall einer Änderungskündigung nicht, sondern bezieht sich lediglich auf den Regelfall einer unbedingten Kündigung.
Der Verweis auf die Rsp zum Beginn der Anfechtungsfrist bei der Eventualkündigung für den Fall, dass eine vorangegangene Kündigung sich als unwirksam erweisen sollte, führt zu keinem anderen als dem vom Berufungsgericht erzielten Ergebnis. Die Wirksamkeit einer Eventualkündigung hängt nämlich gerade nicht von einer rechtsgestaltenden Entscheidung des anfechtungsberechtigten Arbeitnehmers ab, sondern nur von der rechtlichen Voraussetzung, dass ein aufzulösendes Dienstverhältnis überhaupt noch besteht. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist aber im Anfechtungsverfahren selbst zu klären.
Mit der Erhebung der Anfechtungsklage unterstellt der Anfechtende die Wirksamkeit der Kündigung, daher kann im Fall einer Änderungskündigung in der Erhebung der Klage - sofern sich aus ihrem Inhalt nichts Gegenteiliges ergibt - eine schlüssige Ablehnung des Änderungsanbots gelegen sein. Die dazu vertretene Ansicht der Beklagten, eine Klage könne nicht gleichzeitig die Anfechtungsfrist auslösen und wahren, ist nicht begründet. Bei der Frist zur gerichtlichen Anfechtung der Kündigung handelt es sich um eine formellrechtliche Frist, die uU auch verfrüht wahrgenommen werden kann. Eine überzeugende Begründung, weshalb im Fall einer Anfechtungsklage nicht die fristauslösende Willenserklärung gleichzeitig mit der Klage verbunden werden könnte, bietet die Revisionsrekurswerberin nicht an. Nach der von ihr vertretenen Auffassung könnte der gekündigte Arbeitnehmer vielmehr nie von der eingeräumten Überlegungsfrist für das Änderungsanbot Gebrauch machen, weil er bei sonstigem Verlust der Anfechtungsmöglichkeit schon ab Zugang der Kündigung innerhalb der Fristen des § 105 ArbVG seine Entscheidung treffen müsste.