OGH: Schadenersatz wegen Rechtsmissbrauch gem § 1295 Abs 2 ABGB
§ 1295 Abs 2 ABGB normiert eine Haftpflicht für missbräuchliche Rechtsausübung, die nach der neueren Rsp nicht nur bei ausschließlichem Schädigungszweck (Schikane im engeren Sinn), sondern schon dann vorliegt, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung die lauteren Motive eindeutig überwiegt
§ 1295 Abs 2 ABGB
GZ 1 Ob 84/11a, 24.05.2011
Die Vorinstanzen erkannten dem Kläger (Masseverwalter) Schadenersatz iHv 390.000 EUR zu, weil die Behauptung des Bestandrechts durch die Beklagte (ehemalige Ehefrau des Gemeinschuldners) erfolgt sei, um das Zwangsversteigerungs- und Verwertungsverfahren zu verzögern und zu behindern. Die Verwertung des Objekts sei dadurch nur zu einem geringeren Betrag möglich gewesen. Die Beklagte habe nach den Feststellungen gewusst, dass kein Bestandrecht bestand. Aus dem Kaufanbot des Interessenten über 2 Mio EUR sei keine bloße Absichtserklärung, sondern eine gesicherte Rechtsposition abzuleiten. Der eingetretene Schaden liege in der Differenz zwischen dem erzielten Versteigerungserlös und dem Angebot des Kaufinteressenten, das dieser ohne Berücksichtigung des von der Beklagten behaupteten Bestandrechts getätigt habe.
OGH: Gem § 1305 ABGB hat derjenige, der von seinem Recht innerhalb der rechtlichen Schranken nach § 1295 Abs 2 ABGB Gebrauch macht, den daraus für einen anderen entspringenden Nachteil nicht zu verantworten. § 1295 Abs 2 ABGB normiert eine Haftpflicht für missbräuchliche Rechtsausübung, die nach der neueren Rsp nicht nur bei ausschließlichem Schädigungszweck (Schikane im engeren Sinn), sondern schon dann vorliegt, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung die lauteren Motive eindeutig überwiegt. Die Beklagte behauptete nicht nur gegenüber dem Kläger ein nicht existierendes Bestandrecht, sondern sie wusste auch, dass ein solches zwischen dem Gemeinschuldner und ihr nicht bestand. Damit liegt aber in der Behauptung des Bestehens eines Bestandrechts ein bewusster Rechtsmissbrauch, der die Beklagte gegenüber dem Kläger schadenersatzpflichtig macht. Eine vertretbare Rechtsansicht der Beklagten ist nicht argumentierbar. Infolge ihrer tatsachenwidrigen Behauptung eines Bestandrechts war der Kaufinteressent nicht mehr bereit, die Liegenschaft anzukaufen; andere Gründe, die Liegenschaft nicht zu kaufen, bestanden nicht.