OGH: Zum arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff (hier: iZm Gutschein)
Vom - weit auszulegenden - arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff ist nach dem üblichen Sprachgebrauch jede Leistung umfasst, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür bekommt, dass er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt; auch alle Arten von Naturalleistungen oder Sachzuwendungen sind dem Entgelt zuzurechnen
§ 1152 ABGB, § 6 AngG, § 1486 Z 5 ABGB
GZ 9 ObA 46/11x, 26.05.2011
Der Kläger war vom 20. 3. 1978 bis 3. 12. 2004 als Maler und Anstreicher im Malerfachbetrieb des Erstbeklagten beschäftigt. Er erhielt anlässlich einer Weihnachtsfeier im Dezember 2003 vom Erstbeklagten eine Urkunde zur Anerkennung seines 25-jährigen Betriebsjubiläums für erwiesene Treue und wertvolle Dienste überreicht. Als weiteres „Dankeschön“ erhielt der Kläger vom Erstbeklagten eine Uhr sowie einen - von beiden Beklagten unterfertigten - Gutschein mit folgendem Text: „Gutschein für Ihre Fassadengestaltung incl. Material und Arbeitsleistung als Dankeschön für 25 Jahre Treue und deren hervorragenden Leistungen.“ Der Erstbeklagte wollte dem Kläger, der im Dezember 2003 gerade mit der Renovierung der Außenfassade seines Wohnhauses beschäftigt war, mit der Überreichung des - nicht an die Dauer des Arbeitsverhältnisses gebundenen - Gutscheins helfen. Bei der Fassadengestaltung sollte der Kläger selbst mitarbeiten.
Der Kläger begehrt mit seiner am 7. 5. 2010 eingebrachten Klage die Zuhaltung der in diesem Gutschein zugesagten Leistungen Zug-um-Zug gegen die Ausfolgung des Gutscheins. Der Gutschein sei ihm „als Dankeschön für 25 Jahre Treue und hervorragende Leistung“ übergeben worden. Bei dem im Gutschein zugesicherten Anspruch handle es sich nicht um einen Entgeltanspruch, sondern um einen solchen auf Materiallieferung und Arbeitsleistung, sodass Verjährung nicht eingetreten sei.
Die Beklagten wandten dagegen im Wesentlichen Verjährung der aus dem Gutschein geltend gemachten Entgeltansprüche ein.
OGH: Das Entgelt eines Arbeitnehmers umfasst nach stRsp neben dem eigentlichen Gehalt oder Lohn auch die übrigen ordentlichen und außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art. Vom - weit auszulegenden - arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff ist nach dem üblichen Sprachgebrauch jede Leistung umfasst, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür bekommt, dass er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern nur auf die tatsächliche Funktion der Leistung an. Auch alle Arten von Naturalleistungen oder Sachzuwendungen sind dem Entgelt zuzurechnen. Die Vorinstanzen haben zutreffend dargestellt, dass auch ein einem Arbeitnehmer bei 25-jähriger Werkszugehörigkeit auf einer freien Betriebsvereinbarung beruhendes „Ehrengeschenk“ (ein Monatsbezug) ungeachtet des Fehlens einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Verpflichtung als Zuwendung des Arbeitgebers angesehen wurde. Vor diesem Hintergrund ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die dem Kläger für seine Fassadengestaltung versprochenen Arbeits- und Materialleistungen Entgelt darstellen, jedenfalls vertretbar.
Ebenso wie die Auslegung der von den Parteien getroffenen Vereinbarung kann auch die Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch verjährt ist, immer nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls erfolgen. Der Kläger führt aus, dass der geltend gemachte Anspruch in einem Gutschein verbrieft sei. Dieser sei ein Wertpapier; darin verbriefte Rechte verjährten erst nach 30 Jahren, Rsp zu dieser Frage fehle.
Damit zeigt er jedoch schon im Hinblick auf die klare Gesetzeslage keine erhebliche Rechtsfrage auf. Danach richtet sich die Verjährung selbst für (im konkreten Fall gar nicht geltend gemachte) wertpapierrechtliche Ansprüche - außerhalb der hier nicht anwendbaren Spezialnormen der Art 70 WG, 52 SchG - nach allgemeinen Vorschriften. In dreißig Jahren verjähren sonstige vertragliche Ansprüche, sofern sie nicht nach einer spezielleren Norm - wie etwa § 1486 ABGB - der kurzen Frist unterfallen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ein Entgeltanspruch der Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB unterliegt, bestreitet der Kläger in der Revision gar nicht, sondern er führt lediglich aus, dass ein Entgeltanspruch nicht vorliege. Damit zeigt er jedoch wie dargestellt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dass der begehrte vertragliche Entgeltanspruch „in einem Gutschein verbrieft“ ist, ändert nichts daran, dass es sich um einen Entgeltanspruch aus einem Arbeitsverhältnis handelt. Daher kann die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 1486 Z 5 ABGB nicht in Zweifel gezogen werden.