OGH: Reiseveranstalter gem § 31b KSchG – Abgrenzung Veranstalter - Vermittler und Haftung
Ob jemand als Veranstalter oder Vermittler abschließt, bestimmt sich grundsätzlich danach, wie er gegenüber dem Reisenden auftritt, ob er erklärt, die Reiseleistung in eigener Verantwortung zu erbringen oder sie bloß zu vermitteln; es kommt darauf an, wie der Reisende als redlicher Erklärungsempfänger die Erklärungen zB eines Reisebüroinhabers (oder seiner Vertreter) verstehen konnte; dabei kommt der Ausgestaltung des Prospekts erhebliche Bedeutung zu; widersprüchliche Erklärungen, ob jemand als Veranstalter oder Vermittler den Vertrag schließt, sind entsprechend § 915 ABGB dahin zu verstehen, dass er als Veranstalter abschließt; in LuRsp ist die Haftung des Reisebüros als Veranstalter bei unterlassener Offenlegung seiner Vermittlerstellung (als Reiseveranstalter „kraft Anscheins“) anerkannt
§ 31b KSchG, Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. 6. 1990 über Pauschalreisen, §§ 1295 ff ABGB
GZ 1 Ob 80/11p, 24.05.2011
Die Beklagte bot eine einwöchige „Tigerhaisafari auf den Bahamas“, die neben dem Pauschalangebot des amerikanischen Tauchunternehmens „nur“ die Flüge umfasste, zu einem Pauschalpreis an. Der Lebensgefährte der Klägerin meldete sich am 2. 2. 2007 auf der Grundlage dieses Angebots zur Reise an, woraufhin die Beklagte am 5. 2. 2007 eine „Auftragsbestätigung/Rechnung“ ausstellte. Mit deren Zugang kam der Reisevertrag zustande. Die Beklagte verrechnete den Reiseteilnehmern den Pauschalpreis für „das Schiff“ und die Flüge weiter und verdiente durch einen Aufschlag auf ihre Einkaufspreise.
OGH: Vertragsgegenstand der Reise war demnach eine Reiseveranstaltung iSd § 31b Abs 2 Z 1 KSchG und zugleich eine Pauschalreise nach Art 2 Z 1 der Pauschalreise-RL. Neben hier nicht relevanten Abweichungen in den Definitionen genügt für die Qualifizierung einer Leistung als „Reiseveranstaltung“ und „Pauschalreise“ iS dieser Bestimmungen, dass sie zu einem Gesamtpreis verkaufte touristische Dienstleistungen verbindet, die zwei der drei in diesen Bestimmungen genannte Dienstleistungen umfassen, nämlich die Beförderung, die Unterbringung und andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen. Die Verbindung mindestens zweier genannter Leistungen besteht hier in der Beförderung (Flüge; Schifffahrt) und der Unterbringung (auf dem Schiff), sofern man nicht allein die Flüge der Beförderung zuordnen und die Tauchkreuzfahrt als „andere touristische Dienstleistung“ qualifizieren will.
Nach § 31b Abs 2 Z 2 KSchG ist Veranstalter eine Person, die nicht nur gelegentlich im eigenen Namen vereinbart oder anbietet, von ihr organisierte Reiseleistungen zu erbringen. Der Begriff „Reisevermittler“ wurde im KSchG nicht definiert. Gem Art 2 Z 3 der Pauschalreise-RL ist Vermittler die Person, welche die vom Veranstalter zusammengestellte Pauschalreise verkauft oder zum Verkauf anbietet.
Schon vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen hat der OGH ein Reisebüro als Veranstalter qualifiziert, wenn es das Reiseprogramm zusammenstellt, die Erbringung der nötigen Leistungen entweder als Eigenleistung oder als Fremdleistung (Erbringung der Leistung durch einen sog Leistungsträger) zusagt und die so angebotene Reise zum Kauf (zur Buchung) anbietet. Ein Reisebüro ist dagegen Vermittler, wenn es sich lediglich verpflichtet, einen Anspruch auf Leistungen anderer zu besorgen, die ihre Leistung nicht in seinem Namen (nämlich als sog Fremdleistungen) erbringen. Unter Reisevermittlung ist die Herbeiführung eines Vertragsabschlusses über eine Reiseveranstaltung oder eine einzelne Reiseleistung durch einen Dritten zu verstehen, wodurch ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen Veranstalter und Kunden zustande kommt.
Ob jemand als Veranstalter oder Vermittler abschließt, bestimmt sich grundsätzlich danach, wie er gegenüber dem Reisenden auftritt, ob er erklärt, die Reiseleistung in eigener Verantwortung zu erbringen oder sie bloß zu vermitteln. Es kommt darauf an, wie der Reisende als redlicher Erklärungsempfänger die Erklärungen zB eines Reisebüroinhabers (oder seiner Vertreter) verstehen konnte. Dabei kommt der Ausgestaltung des Prospekts erhebliche Bedeutung zu. Widersprüchliche Erklärungen, ob jemand als Veranstalter oder Vermittler den Vertrag schließt, sind entsprechend § 915 ABGB dahin zu verstehen, dass er als Veranstalter abschließt.
In LuRsp ist zudem die Haftung des Reisebüros als Veranstalter bei unterlassener Offenlegung seiner Vermittlerstellung (als Reiseveranstalter „kraft Anscheins“) anerkannt.
Die Beklagte bot die Pauschalreise, beinhaltend die Flüge und die Tauchreise als im Voraus gebündelte Einzelleistungen, zu einem Gesamtpreis für den Kunden an. Sie erstellte ihr Angebot („Tigerhaisafari auf den Bahamas“), nach dem ihr Friedrich K***** und Jürgen S***** ein Angebot des amerikanischen Tauchunternehmens vorgelegt und sie ersucht hatten, „ein Angebot mit Flug und allem Drum und Dran zu zaubern“. Sowohl im Angebot der Beklagten als auch in den dem Lebensgefährten der Klägerin zugegangenen „Auftragsbestätigungen/Rechnungen“ vom 5. 2. 2007 und 26. 11. 2007 wird als Reiseveranstalter „S***** A*****“ genannt. Selbst wenn hinreichend bestimmt sein sollte, dass damit das amerikanische Unternehmen J***** Inc. gemeint war, war dieses offensichtlich nicht Reiseveranstalter der gebuchten Pauschalreise. Dies ergibt sich schon daraus, dass das von der Beklagten der Pauschalreise zugrunde gelegte Angebot der J***** Inc. nicht die Flüge umfasste. Nicht das amerikanische Unternehmen organisierte die einheitliche Pauschalreise und bot sie in dieser Form an, sondern die Beklagte. Zudem verdiente diese - nach den Feststellungen - durch einen Aufschlag auf ihre Einkaufspreise, der den Reiseteilnehmern im Pauschalpreis weiterverrechnet wurde.
Bezeichnete sich aber die Beklagte zwar als Reisevermittlerin der Pauschalreise und nannte als Reiseveranstalter ein Unternehmen, das in Wahrheit nicht Veranstalter des „Pauschalreisepakets“ war, haftet sie wie eine Reiseveranstalterin. Durch die unrichtige Bekanntgabe eines Reiseveranstalters für die einheitliche Pauschalreise kann sich die Beklagte, die die Reise zusammenstellte und zu einem Gesamtpreis anbot, nicht auf eine Stellung als bloße Reisevermittlerin zurückziehen; als solche hätte sie sich deklarieren müssen, war es doch allein die Beklagte, die die gewünschte Pauschalreise zusammengestellt und einem beschränkten Interessentenkreis, den die Initiatoren direkt ansprachen, angeboten hatte. Damit haftet sie für die Einhaltung und Erbringung der Veranstaltungsleistungen als Reiseveranstalterin, zumal unter den gegebenen Umständen die Vermittlung eines Vertrags mit dem angegebenen „Veranstalter“, der die angebotene (Gesamt-)Leistung weder angeboten hatte, noch erbringen wollte, ersichtlich gar nicht in Betracht kam.
Ein ganz ähnlicher Gedanke liegt auch den Allgemeinen Reisebedingungen (ARB 1992) iVm § 4 der V des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Ausübungsvorschriften für das Reisebürogewerbe (IVO), BGBl II 1998/401, zugrunde. Nach § 4 Abs 1 IVO sind Gewerbetreibende, die Buchungen entgegennehmen, verpflichtet, dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsabschluss eine Bestätigung über den Reisevertrag (Reisebestätigung) zu übermitteln. Gem § 4 Abs 2 Z 6 IVO hat die Reisebestätigung, soweit dies nach der Art der Reise von Bedeutung ist, Firmenwortlaut (Produktnamen) und Anschrift des Reiseveranstalters zu enthalten; Gewerbetreibende, die Buchungen entgegennehmen, können diese Verpflichtung auch dadurch erfüllen, dass sie auf die in einer vom Reiseveranstalter herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Werbeunterlagen enthaltenen Angaben verweisen, soweit diese „den Anforderungen ... entsprechen“ (§ 4 Abs 3 IVO). Pkt. A. 3. der ARB 1992 verpflichtet das „Reiseunternehmen“ (vermittelnde Reisebüro) ebenfalls zu dieser Bekanntgabe und legt abschließend fest: „Unterlässt es dies, so haftet es dem Kunden als Veranstalter bzw. Leistungsträger.“ Haftet demnach das vermittelnde Reisebüro dem Kunden als Veranstalter, wenn es den Firmenwortlaut samt Anschrift des Reiseveranstalters nicht unverzüglich bekannt gibt, muss dies umso mehr gelten, wenn die Beklagte einen Reiseveranstalter nennt, der tatsächlich nicht Veranstalter der von ihr zusammengestellten und „verkauften“ Pauschalreise ist. Auch in diesem Fall haftet die Beklagte dem Kunden auf vertraglicher Grundlage als Reiseveranstalterin, selbst wenn sie sich - wie hier - ausdrücklich als Reisevermittlerin bezeichnete.
Die Klägerin begehrt als Lebensgefährtin des Getöteten Schmerzengeld wegen eines erlittenen „Schockschadens“; damit macht sie auch einen bloßen Trauerschaden geltend. Seit der Entscheidung 8 Ob 127/02p ist anerkannt, dass auch Lebensgefährten zum engen Kreis der Angehörigen gehören, die im Falle der Tötung eines Menschen Anspruch auf Schmerzengeld für einen durch den Tod erlittenen „Schockschaden“ (mit Krankheitswert) oder einen vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten (bloßen) Trauerschaden (ohne Krankheitswert) haben. Feststellungen zu einem solchen Schock- und Trauerschaden wurden bislang nicht getroffen.
Das erstmalige Vorbringen der Klägerin in der Revision, die Beklagte hafte, weil sie „einen Haitauchgang mit Haianfütterung überhaupt angeboten“ habe, ist schon als Neuerung unbeachtlich. Das Angebot einer derartigen Leistung ist auch nicht rechtswidrig.
Zutreffend haben die Vorinstanzen eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten, wenn auch auf der Grundlage ihrer Rechtsstellung als Reisevermittlerin, verneint.
Die Beklagte unterliegt als Reiseveranstalterin der verschuldensabhängigen vertraglichen Haftung. Sie hat für den Tod des Lebensgefährten der Klägerin soweit zu haften, als der Reiseveranstaltungsvertrag als Nebenpflicht auch eine Schutz- und Sorgfaltspflicht für dessen körperliche Sicherheit umfasst. Dabei hat die Beklagte gem § 1313a ABGB für ein allfälliges Verschulden des amerikanischen Tauchunternehmens als ihres Erfüllungsgehilfen wie für ihr eigenes einzustehen.
Die Vorinstanzen haben jedoch ausgehend von der nicht geteilten Rechtsansicht, die Beklagte sei lediglich Reisevermittlerin, keine Feststellungen zum genauen Unfallhergang getroffen. Daher kann weder beurteilt werden, ob durch die behauptete unterlassene Befestigung der Futterkörbe am Meeresboden das in der Natur des betriebenen Hai-Tauchens gelegene Risiko vergrößert wurde, noch ob sonst eine Sorgfaltswidrigkeit von Mitarbeitern des amerikanischen Tauchunternehmens, für welche die Beklagte nach § 1313a ABGB einzustehen hätte, vorliegt.