VwGH: Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher - Unterbrechung der Unterbringung gem § 166 Z 2 lit a iVm § 99 StVG
Der für die belangte Behörde maßgebliche Zeitpunkt im Hinblick auf die anzuwendende Sach- und Rechtslage ist jener Tag, für den der Untergebrachte den Ausgang beantragt hat
§ 166 StVG, § 21 Abs 2 StGB, § 99 StVG
GZ 2009/06/0214, 08.06.2011
Der Bf – er beantragte mit Ansuchen vom 10. November 2008 die Bewilligung eines Ausganges bzw eine Unterbrechung gem § 166 Z 2 lit a iVm § 99 StVG für den 3. Dezember 2008 von 11.00 Uhr bis 15.00 Uhr - wird gem § 21 Abs 2 StGB in der Maßnahmenabteilung der Justizanstalt X angehalten.
VwGH: § 166 Z 2 StVG trifft besondere Regelungen für Untergebrachte nach § 21 Abs 2 StGB dafür, wann ihnen eine Unterbrechung der Unterbringung gewährt werden darf. Zentrales Kriterium dabei ist, dass angenommen werden können muss, der Untergebrachte werde während der Zeit der Unterbrechung keine gerichtlich strafbare Handlung begehen. Daneben gilt im Übrigen für die Entscheidung § 99 mit den in § 166 Z 2 StVG genannten Abweichungen. Danach kommt gem Z 2 lit b dieser Bestimmung als zulässiger Grund für die Unterbrechung hinzu, wenn sie zur Behandlung des Zustandes des Untergebrachten oder zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit notwendig oder zweckmäßig erscheint.
Es ist in diesem Zusammenhang zu den Beschwerdeausführungen insbesondere klarzustellen, dass das maßgebliche Argument in der Begründung der belangten Behörde dieses zentrale Kriterium des § 166 Z 2 StVG war. Die Behörde konnte auf Grund der herangezogenen Gutachten und Stellungnahmen nicht annehmen, dass der Untergebrachte während der Unterbrechung der Unterbringung keine gerichtlich strafbare Handlung begehen wird. Wenn die belangte Behörde in ihrer Entscheidung auch das Argument ins Treffen geführt hat, dass der Ausgang nicht der Vorbereitung auf das Leben in Freiheit dienen würde, zumal mit einer bedingten Entlassung des Bf aus der Maßnahme in nächster Zeit nicht zu rechnen sei, ändert dies an dem zuvor genannten maßgeblichen Abweisungsgrund für das vorliegende Ausgangsansuchen nichts.
Zur Annahme der belangten Behörde, es sei nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass der Untergebrachte während der Unterbrechung gerichtlich strafbare Handlungen setzen werde, rügt der Bf, die Behörde stütze sich dabei auf Gutachten, die nicht aktuell seien und darüber hinaus zu unterschiedlichen Krankheitsbildern beim Bf kämen. Die belangte Behörde habe dabei außer Acht gelassen, dass etwa Dr P (Gutachten vom 3. März 2008) in seinem Gutachten eine komplexe Persönlichkeitsstörung ausschließe, wohingegen der Sachverständige Dr E D (Gutachten vom Mai 2005) diverse Formen von Persönlichkeitsstörungen attestiere. Die Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt und Sexualstraftäter komme demgegenüber zum Schluss, dass eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vorliege. Der Bf befinde sich seit einiger Zeit in wöchentlicher Einzeltherapie. Diese Psychotherapie habe erwiesenermaßen zu guten Ergebnissen geführt, zuletzt sei in der gutachterlichen Stellungnahme von Dr S R vom 22. Mai 2009 festgehalten worden, der Bf könnte sich auf eine psychotherapeutische Beziehung einlassen, was einen "Meilenstein" in seiner Entwicklung darstelle und eine wesentlich geminderte Gefährlichkeit bedeute. Die belangte Behörde habe es unterlassen, eine entsprechend aktuelle gutachterliche Stellungnahme einzuholen, vielmehr habe sie sich auf alte, widersprüchliche Gutachten gestützt. Die belangte Behörde habe daher den maßgeblichen Sachverhalt gem § 37 AVG nicht ermittelt.
Dieses Vorbringen des Bf ist nicht zielführend. Wenn die belangte Behörde aus den verschiedenen seit 2005 bis März 2008 vorliegenden medizinischen Gutachten zur Persönlichkeit des Bf für den für sie maßgeblichen Entscheidungspunkt am 3. Dezember 2008, dem Tag des beantragten Ausganges, abgeleitet hat, es könne nicht angenommen werden, dass der Bf während der Zeit der Unterbrechung keine gerichtliche strafbare Handlung begehen werde, kann ihr nicht entgegengetreten werden. Sie konnte aus diesen Gutachten übereinstimmend entnehmen, dass beim Bf ein hohes Rückfallsrisiko nach wie vor bestehe und bei ihm eine entsprechende spezielle Therapie unabdingbar sei. Eine solche Therapie hatte der Bf im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt unbestritten nicht absolviert.
Der für die belangte Behörde maßgebliche Zeitpunkt im Hinblick auf die anzuwendende Sach- und Rechtslage war der 3. Dezember 2008, nämlich jener Tag, für den der Bf den verfahrensgegenständlichen Ausgang beantragt hatte. Umstände, die nach Erlassung des angefochtenen Bescheides eingetreten sind, wie die vom Bf erwähnte gutachterliche Stellungnahme vom Dr S R vom 22. Mai 2009, konnten für die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Rolle spielen und sind daher auch nicht bei der durch den VwGH vorzunehmenden Überprüfung des angefochtenen Bescheides bedeutsam. Dafür, dass die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt hätte, gibt es keine Anhaltspunkte.
Wenn die belangte Behörde festgestellt hat, dass sich die Bereitschaft des Bf, an der gebotenen Therapie mitzuarbeiten, noch immer in engen Grenzen halte, da er weiterhin von seiner Unschuld und einem gerichtlichen Fehlurteil überzeugt sei, ergibt sich nicht, dass der Unwert jener Tat, die zur Verurteilung geführt hat, als Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Gewährung des Ausganges herangezogen wurde. Die belangte Behörde führte damit nur ein Motiv ins Treffen, auf Grund dessen ihrer Ansicht nach die Bereitschaft des Bf, an der angebotenen Therapie mitzuarbeiten, sehr beschränkt sei. Die maßgebliche Schlussfolgerung der belangten Behörde in diesem Zusammenhang war, dass der Bf die von den Sachverständigen bei ihm für erforderlich erachtete spezielle Therapie noch nicht begonnen hat. Für die belangte Behörde stand auch nicht zur Debatte, einen kurzzeitigen, begleiteten Ausgang zu gewähren, weil das nicht antragsgegenständlich war.