03.08.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: §§ 34 ff GmbHG - Vorsitzender der Generalversammlung

Mit der Bestellung zum Vorsitzenden der Generalversammlung sind lediglich Leitungsbefugnisse, aber keine materiellen Vorrechte verbunden; zum Vorsitzenden sind mangels gegenteiliger Regelung in der Satzung die anwesenden Personen wählbar


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, Vorsitzender der Generalversammlung
Gesetze:

§§ 34 ff GmbHG

GZ 6 Ob 99/11v, 16.06.2011

 

OGH:. Mit der Bestellung zum Vorsitzenden der Generalversammlung sind lediglich Leitungsbefugnisse, aber keine materiellen Vorrechte verbunden. Ein Vorsitzender der Generalversammlung hat mangels gegenteiliger Bestimmungen in der Satzung etwa kein Dirimierungsrecht und keine verstärkten Stimmbefugnisse. Er kann auch die Generalversammlung nach hA nicht eigenmächtig vertagen oder vorzeitig schließen und die angekündigte Tagesordnung inhaltlich nicht verändern oder Beratung und Beschlussfassung über einzelne angekündigte Verhandlungsgegenstände ablehnen. Seine Aufgabe ist es - mangels anderer Regelung in der Satzung - den Ablauf der Generalversammlung festzulegen, die Abstimmungen durchzuführen sowie gegebenenfalls die Verhandlungs- und Abstimmungsergebnisse festzustellen; ihm steht auch die Sitzungspolizei zu. Anders als bei der AG ist bei der GmbH aber eine ausdrückliche Beschlussfeststellung nicht erforderlich.

 

Die Rechte der Minderheit werden durch die Bestellung eines Vorsitzenden nicht beeinträchtigt. Ganz im Gegenteil sichert ein ordnungsgemäßer Verlauf der Generalversammlung die Möglichkeit jedes Gesellschafters, in diesem Rahmen seine Rechte umfassend wahrzunehmen. Dem bloßen Umstand, dass durch eine unrichtige Feststellung eines bestimmten Beschlussergebnisses demjenigen Gesellschafter, der diesen Beschluss anfechten will, die Klägerrolle zugewiesen wird, kommt jedenfalls nicht derartiges Gewicht zu, dass hier ohne ausdrückliche gesetzliche oder satzungsmäßige Grundlage ein höheres Mehrheitserfordernis abgeleitet werden könnte.

 

Zum Vorsitzenden sind mangels gegenteiliger Regelung in der Satzung die anwesenden Personen wählbar. Nach Umfahrer können Gesellschafter, Aufsichtsratsmitglieder, ein Geschäftsführer oder ein von den Gesellschaftern bestimmter Dritter Vorsitzender sein.

 

Bei der Wahl des Vorsitzenden sind alle Gesellschafter stimmberechtigt, insbesondere auch solche, die bei einem der angesetzten Tagesordnungspunkte gem § 39 Abs 4 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen sind. Gem § 39 Abs 4 GmbHG verliert ein Gesellschafter nämlich nur dann das Stimmrecht, wenn er durch die Beschlussfassung von einer Verpflichtung befreit oder ihn ein Vorteil zugewendet werden soll. Das Gleiche gilt von der Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Gesellschafter oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Gesellschaft betrifft. Die Bestellung oder Abberufung als Organmitglied bringt aber keine unmittelbaren Vermögensvorteile oder sonstige rechtlich gesicherte Vorteile mit sich und unterliegt daher von vornherein nicht dem Stimmverbot. Besteht aber bei der Wahl oder Abberufung zum Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied kein Stimmverbot für den betreffenden Kandidaten, wäre es wertungswidersprüchlich, ein derartiges Stimmverbot bei der Wahl zum Vorsitzenden der Generalversammlung zu bejahen.

 

Konnte aber die Wahl des Vorsitzenden wirksam (mit einfacher Stimmenmehrheit) erfolgen, so kann keinem Zweifel unterliegen, dass diesem auch die Befugnis zur Feststellung des Beschlussergebnisses zukam. Es kann nicht angenommen werden, dass diese wichtigste Kompetenz des Vorsitzenden nur bei Einstimmigkeit bestehen soll. Die Möglichkeit zur Feststellung des Beschlussergebnisses dient ganz maßgeblich der Rechtssicherheit; ein länger dauernder Zustand der Unklarheit bezüglich des Beschlussergebnisses läge auch nicht im Interesse der überstimmten Minderheit.