03.08.2011 Steuerrecht

VwGH: AfA - § 7 EStG iZm in der Vergangenheit zu hoch angesetzter AfA

Eine in früheren Jahren rechtswidrig zu hoch geltend gemachte AfA führt vor dem Primat der periodengerechten Gewinnermittlung nicht zu einer Minderung der AfA-Beträge für die laufenden Jahre; dasselbe gilt auch für eine zu Unrecht vorgenommene Sofortabschreibung


Schlagworte: Einkommensteuer, Absetzung für Abnutzung, in der Vergangenheit zu hoch angesetzte AfA, periodengerechte Gewinnermittlung
Gesetze:

§ 7 EStG

GZ 2007/15/0015, 31.05.2011

 

VwGH: Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gem § 7 Abs 1 EStG gleichmäßig verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzusetzen.

 

Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer kann nicht mathematisch genau ermittelt werden; es ist eine Schätzung vorzunehmen, bei der sowohl Umstände zu berücksichtigen sind, die durch die Art des Wirtschaftsgutes bedingt sind, als auch solche, die sich aus der besonderen Nutzungs-(Verwendungs-)form im Betrieb ergeben. Maßgebend ist somit die objektive betriebsindividuelle Nutzungsdauer; das ist jene Zeitspanne, innerhalb derer das Wirtschaftsgut einen wirtschaftlichen Nutzen abwerfen und im Betrieb nutzbringend einsetzbar sein wird.

 

Die Schätzung obliegt grundsätzlich dem Steuerpflichtigen, der in der Regel über einen besseren Einblick als die Abgabenbehörde darüber verfügt, wie lange sich das von ihm angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut nach seinen Verhältnissen nutzen lässt. Die Behörde darf davon abweichen, wenn sich die Schätzung als unzutreffend erweist. Eine Berichtigung ist vorzunehmen, wenn die Abweichung erheblich ist, dh die Schätzung der Nutzungsdauer durch den Steuerpflichtigen außerhalb jener Bandbreite liegt, die jeder Schätzung immanent ist.

 

Wurde die AfA in der Vergangenheit - wie im Beschwerdefall von der belangten Behörde festgestellt - zu hoch angesetzt, stellt sich die Frage, ob die AfA für die Restnutzungsdauer durch eine entsprechende Minderung auszugleichen bzw solange auszusetzen ist, bis der richtige Wertansatz erreicht ist, oder ob eine Berichtigung der AfA zurückgehend bis zum Zeitpunkt der erstmaligen betrieblichen Verwendung oder Nutzung des Wirtschaftsgutes zu erfolgen hat.

 

Aus der Anordnung des § 4 Abs 2 zweiter Satz EStG, wonach Unrichtigkeiten in der Bilanz bis zur Wurzel zu berichtigen sind, und zwar auch dann, wenn die Berichtigung für die abgelaufenen Jahre etwa wegen der Rechtskraft der Veranlagungsbescheide oder wegen eingetretener Bemessungsverjährung keine Änderung der Abgabenvorschreibung zur Folge hat, und der von der Höhe des Jahreseinkommens abhängigen Progression des in § 33 Abs 1 EStG festgelegten Tarifes ergibt sich, dass das Gesetz der Richtigkeit der Periodenbesteuerung den Vorrang gegenüber dem Grundsatz der "Gesamtgewinnbesteuerung" einräumt.

 

Infolge der im Einkommensteuerrecht geltenden Periodenbesteuerung muss die AfA bei der Gewinnermittlung des Jahres geltend gemacht werden, in das sie wirtschaftlich gehört. Unterbliebene Absetzungen können nicht nachgeholt werden und wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 30. März 2011, 2008/13/0024, jüngst ausgesprochen hat, dürfen auch zu hohe Absetzungen nicht durch Minderung oder Aussetzung der Abschreibung in der Zukunft ausgeglichen werden. Der VwGH hat damit seine in den Jahren 1959 und 1965 zu Vorgängerbestimmungen des EStG 1988 ergangene, im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Rsp nicht aufrechterhalten. Das Erkenntnis 2008/13/0024 ist zu Werbungskosten iSd § 16 Abs 1 Z 8 EStG ergangen. Für den betrieblichen Bereich kommen die gleichen Grundsätze zur Anwendung.