10.08.2011 Zivilrecht

OGH: Sittlich nicht gerechtfertigtes Scheidungsbegehren iZm Eheverfehlungen gem § 49 EheG

Bei Beurteilung der Frage, ob ein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich gerechtfertigt ist, werden immer die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sein; insbesondere wird dabei auch darauf Bedacht genommen werden müssen, ob sich aus dem Verhalten des beklagten Ehegatten ergibt, dass er trotz der Eheverfehlungen des Klägers an der Ehe festhält


Schlagworte: Eherecht, Scheidung, Eheverfehlung, sittlich nicht gerechtfertigt
Gesetze:

§ 49 EheG

GZ 7 Ob 112/11p, 29.06.2011

 

OGH: Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 49 Satz 3 EheG vorliegen, sind sowohl das gesamte Verhalten der Ehegatten als auch die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit ist die Frage, ob ein Scheidungsbegehren nach der genannten gesetzlichen Bestimmung sittlich gerechtfertigt ist oder nicht keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

 

Nach stRsp ist bei der Beurteilung der sittlichen Rechtfertigung eines Scheidungsbegehrens insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, ob sich aus dem Verhalten der beklagten Partei ergibt, dass sie trotz der Eheverfehlungen der klagenden Partei an der Ehe festhält. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dies sei hier - obwohl die vom Kläger gesetzten Eheverfehlungen bei weitem überwiegen - zu verneinen, da die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klagseinbringung mit den Kindern gegen den Willen des Klägers bereits nach Italien übersiedelt gewesen sei und zu diesem Zeitpunkt offensichtlich die Hoffnung aufgegeben gehabt habe, dass die eheliche Gemeinschaft wieder aufgenommen werden könnte, ist jedenfalls vertretbar.

 

Die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, auch die Beklagte habe zu den Streitigkeiten in der Ehe beigetragen, „ohne dass dies ausschließlich vom Kläger veranlasst wurde“ und sie habe daher auch einen gewissen Anteil daran, dass der - wenn auch ehewidrige - Wunsch des Klägers, aus der Ehe zu flüchten, zumindest verstärkt worden sei, ist mit den erstgerichtlichen Feststellungen vereinbar.