VwGH: Außerordentliche Milderung der Strafe gem § 20 VStG (iZm überlanger Verfahrensdauer)
Eine überlange Verfahrensdauer ist als Grund für die Milderung der Strafe gem § 20 VStG in Anschlag zu bringen; die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen
§ 20 VStG
GZ 2011/03/0078, 30.06.2011
VwGH: Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kann auch bei Fehlen von Erschwerungsgründen für sich genommen noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe iSd § 20 VStG bewirken.
Ferner versagt das iZm § 20 VStG erstattete Vorbringen, dass die Übertretung im Oktober 2008 erfolgt sei, sodass das Verfahren bereits unverhältnismäßig lange gedauert habe. Der VwGH hat zwar bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art 6 EMRK widersprechenden Weise angewendet wurde, wenn überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmindernd bewertet wurde. Eine solche überlange Verfahrensdauer ist als Grund für die Milderung der Strafe gem § 20 VStG in Anschlag zu bringen. Die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen. Die maßgebliche Frist beginnt, sobald die Partei durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise in Kenntnis gesetzt wird, dass gegen sie wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden.
Im vorliegenden Fall erlangte der Bf erstmals offiziell Kenntnis von dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf, als er (erst) am 6. April 2009 die besagte Aufforderung zur Rechtfertigung der Erstbehörde - wie seinem Schreiben an diese vom 7. April 2009 entnehmbar ist - erhielt. Ausgehend von einer solcherart errechneten Verfahrensdauer von ca 22 Monaten kann der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine behauptete überlange Verfahrensdauer nicht als Milderungsgrund berücksichtigt hat. Dazu kommt noch, dass die belangte Behörde ohnehin lediglich die gesetzliche Mindeststrafe verhängte.