VwGH: Disziplinarsenate - Geschäftseinteilung gem § 101 Abs 4 BDG
Kein Zweifel kann daran bestehen, dass die Geschäftseinteilung gem § 101 Abs 4 BDG als Verordnung gehörig kundzumachen ist; das Fehlen einer wirksamen, die Zusammensetzung und die Zuständigkeit eines Kollegialorgans regelnden - vom Gesetz (hier von § 101 Abs 4 BDG) verlangten - Norm im Zeitpunkt der Beschlussfassung hat dessen Unzuständigkeit zur Folge
§ 101 Abs 4 BDG, Art 89 Abs 1 B-VG
GZ 2010/09/0040, 29.04.2011
VwGH: Mit Erkenntnis vom 29. November 2010, V 87/10-9, hat der VfGH ausgesprochen, dass die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2007" der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig war. Diese Entscheidung beruht auf der darin näher dargelegten Auffassung, dass diese Verordnung keinen Hinweis darauf enthält, dass sie vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen worden sei. Die Verordnung sei damit auf gesetzwidrige Weise kundgemacht gewesen.
Dieser während des Verfahrens vor dem VwGH hervorgekommene Umstand wurde den Parteien im Hinblick auf § 41 Abs 1 zweiter Satz VwGG zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Die belangte Behörde erstattete keine Stellungnahme, die Bf schlossen sich der Ansicht des VfGH an.
Gem Art 89 Abs 1 B-VG sind Gerichte, einschließlich des VwGH (vgl Art 135 Abs 4 B-VG), an nicht gehörig kundgemachte Verordnungen nicht gebunden und zwar unabhängig davon, ob diese vom VfGH aus diesem Grunde bereits aufgehoben wurden oder nicht.
Kein Zweifel kann daran bestehen, dass die Geschäftseinteilung gem § 101 Abs 4 BDG als Verordnung gehörig kundzumachen ist (Art 89 Abs 1 B-VG). Der VwGH schließt sich der Auffassung des VfGH an, dass diese Geschäftseinteilung nicht gehörig kundgemacht wurde. Die Verordnung ist daher vom VwGH nicht anzuwenden. Es wurde auch von den Parteien des Verfahrens vor dem VwGH nicht vorgebracht und ist nicht zu ersehen, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Behörde erster Instanz eine gültige Geschäftseinteilung bestanden hätte.
Das Fehlen einer wirksamen, die Zusammensetzung und die Zuständigkeit eines Kollegialorgans regelnden - vom Gesetz (hier von § 101 Abs 4 BDG) verlangten - Norm im Zeitpunkt der Beschlussfassung hat dessen Unzuständigkeit zur Folge. Die Berufungsbehörde hat eine solche Unzuständigkeit durch Aufhebung des unterinstanzlichen Bescheides aufzugreifen.