31.08.2011 Verfahrensrecht

OGH: Schiedsgutachten – Schiedsgutachtensabrede und Schiedsgutachtervertrag

Im Unterschied zur Schiedsgutachtensabrede ist beim Schiedsgutachtervertrag denkbar, dass dieser vom Schiedsgutachter nur mit einer der Parteien der Schiedsgutachtensabrede geschlossen wird


Schlagworte: Schiedsverfahren, Schiedsgutachtensabrede, Schiedsgutachtervertrag
Gesetze:

§§ 577 ff ZPO

GZ 1 Ob 100/11d, 21.06.2011

 

OGH: Bei Schiedsgutachten sind die Schiedsgutachtensabrede - die Einigung der Parteien auf die Rechte (Aufgaben) des Dritten - und der Schiedsgutachtervertrag, mit dem die Parteien den Schiedsgutachter beauftragen, zu unterscheiden. Im Unterschied zur Schiedsgutachtensabrede ist beim Schiedsgutachtervertrag denkbar, dass dieser vom Schiedsgutachter nur mit einer der Parteien der Schiedsgutachtensabrede geschlossen wird. Nach den Feststellungen erteilte die Beklagte dem Kläger „direkt“ keinen Auftrag zur Erstattung des Gutachtens. Vielmehr erfolgte seine Beauftragung auch im Namen und auf Rechnung der Beklagten durch die Rechtsvertreterin des Verfahrensgegners des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens. Dass die Beklagte die gegnerische Rechtsvertreterin dazu bevollmächtigt hätte, hat der dafür beweispflichtige Kläger nicht vorgebracht. Auch wurden keine Tatsachenbehauptungen aufgestellt, aus denen sich ergeben könnte, dass die Schiedsgutachtensabrede als konkludente Zustimmung zur gemeinsamen Beauftragung des Klägers zu werten sei.

 

Da der Schiedsgutachtervertrag auch nur zwischen dem Schiedsgutachter und einer Vertragspartei abgeschlossen werden kann, ist es ohne weitere Anhaltspunkte gut vertretbar von einer Bevollmächtigung der anderen Partei durch die Beklagte in der Schiedsgutachtensabrede, den Schiedsgutachtervertrag auch in ihrem Namen abzuschließen, nicht auszugehen. Da jedenfalls Anhaltspunkte für eine Vertretungsmacht der Rechtsvertreterin des Verfahrensgegners zur Vertretung der Beklagten beim Abschluss des Schiedsgutachtervertrags fehlen, die Beklagte somit nicht Partei des Schiedsgutachtervertrags wurde und sich die Übernahme der Kosten nach dem Inhalt dieses Vertrags bestimmt, ist die Verneinung einer Honorarforderung des Klägers gegen die Beklagte nicht zu beanstanden.