OGH: Erklärungsbote / Empfangsbote
Die dem Empfangsboten gegenüber abgegebene Willenserklärung ist dessen Auftraggeber gegenüber so wirksam, wie sie abgegeben wurde; eine unrichtige Übermittlung geht zu Lasten des Erklärungsempfängers
§ 861 ABGB, §§ 1002 ff ABGB, § 871 ABGB
GZ 7 Ob 14/11a, 06.07.2011
OGH: Bei der Übermittlung rechtsgeschäftlicher Erklärungen durch einen Boten ist zu unterscheiden, ob der Bote für den Erklärenden (Erklärungsbote) oder für den Erklärungsempfänger (Empfangsbote) tätig wurde. Bedient sich der Erklärende zur Übermittlung seiner Erklärung eines Boten, so gilt die Erklärung so, wie sie vom Boten übermittelt wurde. Der Erklärende trägt das Risiko, dass der Bote die Erklärung unrichtig übermittelt und auf dieser Grundlage ein Vertrag zustande kommt. Dem Erklärenden bleibt nur die Geltendmachung der Irrtumsfolgen vorbehalten. Die dem Empfangsboten gegenüber abgegebene Willenserklärung ist dessen Auftraggeber gegenüber so wirksam, wie sie abgegeben wurde. Eine unrichtige Übermittlung geht zu Lasten des Erklärungsempfängers. Gehört der Bote der Sphäre des Erklärungsempfängers an und ist er von diesem zur Empfangnahme von Erklärungen ermächtigt, wird er demnach (jedenfalls auch) für diesen tätig; er ist nicht mehr Erklärungsbote, sondern Empfangsbote. Ist die Erklärung gegenüber einem Boten des Empfängers abgegeben worden, so ist sie damit schon dem Empfänger zugegangen. In diesem Fall trägt der Empfänger das Risiko, wenn der Bote die Erklärung verstümmelt.
Der Kläger wollte vom Beklagten zwar außerhalb der schriftlichen Vereinbarung zur Besicherung seiner Forderungen noch ein Wechselakzept erhalten, doch wurde diese Forderung auf mündliche Ergänzung des Vertrags von seinem Boten an den Beklagten nicht weitergegeben. Vielmehr erklärte dieser wahrheitswidig, dass „die Sache so erledigt sei“. Diese Erklärung kann von einem redlichen Empfänger (dem Beklagten) nur so verstanden werden, dass der Kläger keine Ergänzungen des schriftlichen Vertragstextes fordert, also dem Wunsch des Beklagten folgend auf der Ausstellung des Wechsels nicht mehr besteht. Dass dies nicht dem Geschäftswillen des Klägers entsprach, sein Erklärungsbote also etwas anderes erklärte, als er sollte, geht zu Lasten des Klägers. Daraus ergibt sich kein Dissens, stimmen doch die Willenserklärungen der Parteien objektiv überein.