14.09.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Passivlegitimation im Kartellverfahren

Das Kartellverfahren hat nicht den Zweck, dem Marktmissbrauchsverbot widersprechende Verträge und die sich daraus ergebende Rechtsstellung der Vertragspartner zu schützen, sodass solchen im Abstellungsverfahren keine Parteistellung nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG zukommt


Schlagworte: Kartellrecht, Partei, Passivlegitimation, Marktmissbrauch, Abstellung
Gesetze:

§ 5 KartG, § 26 KartG, § 2 AußStrG

GZ 16 Ok 3/11, 14.07.2011

 

Die Antragstellerin begehrt die Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin. Mit dem Vertrag werde der Einschreiterin, in der Absicht deren Wettbewerbsposition zu fördern, das exklusive Recht eingeräumt, Zeitungsboxen zur Entnahme der von dieser herausgegebenen Gratiszeitung in den Räumlichkeiten und Zugangshallen der Wiener U-Bahn-Stationen aufzustellen.

 

Die Einschreiterin beantragt, sie gem § 8 Abs 2 AußStrG dem Verfahren als Partei beizuziehen, ihr sämtliche Schriftsätze zuzustellen und die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Die Antragsgegnerin müsse, um einem allfälligen kartellrechtlichen Abstellungsauftrag zu entsprechen, der Einschreiterin eine größere Zahl von vertraglich zugeteilten Standorten entziehen. Dies stelle einen Eingriff in die rechtlich geschützte Stellung der Einschreiterin dar, weshalb sie gem § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG ex lege Partei des Verfahrens sei. Im Übrigen sei ihre Einbeziehung in das Verfahren ein Gebot der Vernunft, weil die Bindungswirkung einer kartellrechtlichen Entscheidung auf die Verfahrensparteien beschränkt sei. Wenn das Kartellgericht eine wirkliche Erledigung der Rechtsstreitigkeit anstrebe, werde es um die Beiziehung der Einschreiterin als Partei nicht herumkommen.

 

OGH: Wie bereits das Erstgericht ausgeführt hat, regelt das KartG selbständig nur die Antragsbefugnisse, nicht aber die sonstige Parteistellung, insbesondere nicht die Passivlegitimation. Es ist daher insoweit auf das subsidiär anzuwendende AußStrG zurückzugreifen. Dessen § 2 Abs 1 Z 3 normiert, dass auch jene Personen Parteien sind, deren rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde.

 

Diese materielle Parteistellung wegen Beeinflussung der rechtlich geschützten Stellung kann der Einschreiterin jedenfalls nicht zukommen:

 

Selbst wenn dem Abstellungsantrag nur in der einzigen Form stattgegeben werden könnte, dass der Antragsgegnerin aufgetragen würde, an die Einschreiterin vermietete Stellflächen für Zeitungsboxen der Antragstellerin zuzuordnen oder wenn einem allgemein gehaltenen Abstellungsauftrag des Kartellgerichts nur in dieser Form nachgekommen werden könnte, wäre zwar die rechtliche Position der Einschreiterin aufgrund des mit der Antragsgegnerin geschlossenen Vertrags beeinträchtigt, nicht aber eine rechtlich geschützte Stellung. Das Kartellverfahren hat nicht den Zweck, dem Marktmissbrauchsverbot widersprechende Verträge und die sich daraus ergebende Rechtsstellung der Vertragspartner zu schützen. Vielmehr kann ein solcher Verstoß Nichtigkeit eines Vertrags bzw Vertragsbestandteils begründen, mit dem das missbräuchliche Verhalten verwirklicht wird.