14.09.2011 Verfahrensrecht

VwGH: Vertreter gem § 10 AVG

Hat ein Rechtsanwalt der Behörde in einem Verwaltungsverfahren seine Bevollmächtigung durch die Partei gem § 10 Abs 1 AVG (in einem Schriftsatz) bekannt gegeben und im Verfahren unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht Anträge eingebracht, kann eine Zustellung des das Verfahren abschließenden Bescheides gem § 9 Abs 1 ZustellG wirksam allein an diesen Rechtsanwalt erfolgen


Schlagworte: Vertreter, Vollmacht, Zustellungsvollmacht, Zweifel, Mängelbehebungsauftrag
Gesetze:

§ 10 AVG, § 9 ZustellG, § 13 Abs 3 AVG

GZ 2010/03/0186, 26.04.2011

 

VwGH: Gem § 10 Abs 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet ein Rechtsanwalt oder Notar ein, so ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

 

Hat ein Rechtsanwalt der Behörde in einem Verwaltungsverfahren seine Bevollmächtigung durch die Partei gem § 10 Abs 1 AVG (in einem Schriftsatz) bekannt gegeben und im Verfahren unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht Anträge eingebracht, kann eine Zustellung des das Verfahren abschließenden Bescheides gem § 9 Abs 1 ZustellG wirksam allein an diesen Rechtsanwalt erfolgen.

 

Nach § 10 Abs 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.

 

Im vorliegenden Fall brachte der in Rede stehende Rechtsanwalt die Berufung gegen den Erstbescheid namens der Bf (unter ihrer damaligen Firma) mit dem Hinweis "Vollmacht erteilt" ein und hat sich daher auf die ihm erteilte Vollmacht berufen. Da dieser Rechtsanwalt vor der Erstbehörde auch die in Rede stehende Zwischenbilanz der Bf vorgelegt hatte, musste zu diesem Zeitpunkt bei der belangten Behörde kein Anlass bestehen, über Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis iSd § 10 Abs 2 AVG zu zweifeln.

 

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2010 retournierte allerdings der genannte Rechtsanwalt den an ihn zunächst zugestellten Berufungsbescheid der belangten Behörde unter Hinweis darauf, dass "der faktische Geschäftsführer des Unternehmens" seine Berechtigung, die Bf zu vertreten, "offensichtlich widerrufen" habe; er habe daher jedenfalls keinen Auftrag mehr, die Bf zu vertreten und übermittelte ihr den Berufungsbescheid zurück mit dem Ersuchen, ihn direkt der Bf zuzustellen. Der in diesem Schreiben enthaltene Hinweis auf die Erteilung einer Vollmacht durch einen bloß faktischen Geschäftsführer hätte bei der belangten Behörde nunmehr Anlass zu Zweifel in die Richtung geben müssen, ob die Vollmacht, auf die sich der Rechtsanwalt seinerzeit berief, auch von einem tatsächlich zur rechtlichen Vertretung der Bf zuständigen Geschäftsführer erteilt wurde. Da die belangte Behörde - anders als in § 10 Abs 2 AVG vorgesehen - diese Zweifel nicht unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs 3 AVG von Amts wegen aufklärte, hat sie das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Verfahren mit einem Verfahrensmangel belastet.