20.09.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Wird der Anspruch auf Ausgleichszulage eines Unionsbürgers gem § 292 ASVG dadurch beseitigt, dass sich ein Dritter im Rahmen einer Patronatserklärung zur subsidiären Unterhaltsgewährung an den Anspruchsberechtigten verpflichtet hat?

Ist das Recht eines Unionsbürgers auf Daueraufenthalt im Inland gegeben, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob auch die sonstigen, für einen mehr als drei Monate währenden Inlandsaufenthalt notwendigen Voraussetzungen (wie ausreichende Existenzmittel und umfassender Krankenversicherungsschutz) noch vorliegen; die vom Sohn des Klägers seinerzeit über Aufforderung der Aufenthaltsbehörde abgegebene Haftungserklärung vermag diesen dem Kläger aufgrund des Gemeinschaftsrechts - nach den auch für Inländer geltenden Voraussetzungen - zustehenden Rechtsanspruch auf Ausgleichszulage nicht zu beseitigen oder zu schmälern


Schlagworte: Allgemeines Sozialversicherungsrecht, Pensionsversicherung, Ausgleichszulage, Fremdenrecht, Unionsbürger, Haftungserklärung
Gesetze:

§ 292 ASVG, § 53a NAG, § 51 NAG

GZ 10 Ob S20/11f, 21.07.2011

 

OGH: Die RL 2004/38/EG wurde in Österreich im Rahmen des Fremdenrechtspakets 2005 durch das Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (NAG) innerstaatlich umgesetzt. Das 4. Hauptstück des 2. Teils (§§ 51-57) regelt das gemeinschaftsrechtliche Aufenthalts- und Niederlassungsrecht. Das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht ergibt sich in diesen Fällen nicht aus einer nationalen gesetzlichen Berechtigung, sondern kraft unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts. Dieses bereits nach dem Gemeinschaftsrecht bestehende Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht ist durch besondere Dokumente nachzuweisen, denen aber lediglich deklaratorische Wirkung zukommt und die die Existenz des bestehenden subjektiven Rechts an sich nicht betreffen. § 51 NAG regelt das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate in Anlehnung an Art 7 RL 2004/38/EG. Gem § 53a Abs 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gem §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthalts auszustellen.

 

Nach § 292 Abs 1 ASVG hat der Pensionsberechtigte, solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnitts Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension, sofern die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gem § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293 ASVG) erreicht.

 

Der Umstand, dass es sich bei der vom Kläger bezogenen rumänischen Alterspension um eine Pensionsleistung handelt, die dem sachlichen Geltungsbereich der sozialen Sicherheit unterliegt, und sie damit so wie eine Pensionsleistung im Inland eine taugliche Grundleistung für einen Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage darstellt, ist ebenso wenig strittig wie der weitere Umstand, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

 

Der Kläger hält sich nach den Feststellungen seit dem Jahr 2001 ohne Unterbrechung bei seinem Sohn in Österreich auf. Es wird auch von der beklagten Partei nicht bestritten, dass sich der Kläger in diesem Zeitraum rechtmäßig im Inland aufgehalten hat (vgl die Aufenthaltstitel des Klägers in ON 15 sowie im Pensionsakt). Der Kläger hat damit gem Art 16 Abs 1 RL 2004/38/EG (vgl auch § 53a NAG) das Recht auf Daueraufenthalt im Inland erlangt. Dieses Recht ist nicht an die sonst üblichen Voraussetzungen (insbesondere ausreichende Existenzmittel und umfassender Krankenversicherungsschutz) geknüpft. Im Sinne der nach Art 21 iVm Art 18 AEUV bzw Art 24 RL 2004/38/EG gebotenen Gleichbehandlung hat auch der Kläger als Unionsbürger für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 5. 2. 2009 bis 30. 6. 2010 unabhängig vom (seinerzeitigen) Vorliegen der Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG (umfassender Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel - vgl auch § 51 Abs 1 Z 2 NAG) unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Inländer einen Rechtsanspruch auf Ausgleichszulage erworben, sofern seine Pensionsleistung samt sonstigen Einkommen nicht den für ihn in Betracht kommenden Richtsatz erreicht. Die vom Sohn des Klägers seinerzeit über Aufforderung der Aufenthaltsbehörde abgegebene Haftungserklärung vermag diesen dem Kläger aufgrund des Gemeinschaftsrechts - nach den auch für Inländer geltenden Voraussetzungen - zustehenden Rechtsanspruch auf Ausgleichszulage nicht zu beseitigen oder zu schmälern.