27.09.2011 Verfahrensrecht

OGH: § 483a Abs 1 ZPO – Klagszurücknahme in Ehesachen

Im Eheverfahren ist nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine Zurücknahme der Klage nur mit Zustimmung der beklagten Partei zulässig; eine Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht genügt nicht


Schlagworte: Zurücknahme der Klage, Eheverfahren, Anspruchsverzicht, Berufung
Gesetze:

§ 483a ZPO, § 483 ZPO, § 49 Abs 2 Z 2a JN

GZ 8 Ob 74/11g, 30.08.2011

 

OGH: In der Rsp des OGH zu § 483a Abs 1 ZPO ist geklärt, dass im Eheverfahren nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Zurücknahme der Klage nur mit Zustimmung der beklagten Partei zulässig ist.

 

Dem Kläger ist zuzustimmen, dass § 483a Abs 1 ZPO für das Eheverfahren eine Sonderregel enthält. Richtig ist auch, dass § 483a Abs 1 ZPO die Möglichkeit zur Zurücknahme der Klage im Berufungsverfahren jedenfalls insoweit erweitert, als die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurückgenommen werden kann. Anders als § 483 Abs 3 ZPO erwähnt die Sonderregel die Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht nicht. Die Rsp und hL leitet daraus ab, dass im Eheverfahren die Zurücknahme der Klage immer dann möglich sein soll, wenn beide Parteien den Willen bekundet haben, die Ehe fortzusetzen.

 

Hinzu kommt, dass die Sonderregel auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abstellt. Nach der Rsp bezieht sie sich auf den Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Der Ansicht des Klägers, dass § 483a Abs 1 ZPO erst ab dem Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung gelte und auf eine Klagszurücknahme vor diesem Zeitpunkt auch im Eheverfahren die Grundregel des § 483 Abs 3 ZPO anzuwenden sei, kann daher nicht beigetreten werden. Eine zeitlich abgestufte Anwendung beider Bestimmungen scheidet aus. § 483a Abs 1 ZPO ist im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine Klagszurücknahme im Berufungsverfahren demnach als abschließende Sonderregel anzusehen. Aus diesem Grund kann es auch nicht als planwidrige Lücke angesehen werden, dass im Eheverfahren nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung die Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht nicht erlaubt ist.

 

Insgesamt ist daher an der bisherigen Rsp festzuhalten, dass im Eheverfahren nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine Zurücknahme der Klage nur mit Zustimmung der beklagten Partei zulässig ist.

 

Ist die im Berufungsverfahren erfolgte Zurücknahme der Klage rechtswirksam, so hat das Berufungsgericht aus Gründen der Rechtssicherheit mit deklarativem Beschluss festzustellen, in welchem Umfang das Urteil des Erstgerichts (ex lege) wirkungslos ist und daher außer Kraft tritt. Auch bei einem Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem dieses feststellt, dass die Zurücknahme der Klage nach § 483a Abs 1 ZPO wirkungslos ist, handelt es sich um einen deklarativen Beschluss nach § 483 Abs 3 letzter Halbsatz ZPO.