28.09.2011 Verfahrensrecht

VwGH: Bescheidbeschwerde – zur Beschwerdelegitimation des Umweltanwaltes iZm Feststellungsverfahren nach § 3 Abs 7 UVP-G 2000

Der VwGH hat in Fällen, in denen einer Organpartei keine eigene, gegen den Staat gerichtete Interessenssphäre zukam, dieser aber insoweit die Beschwerdelegitimation zuerkannt, als es zur Durchsetzung der aus der Parteistellung folgenden prozessualen Befugnisse erforderlich ist; nur die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte (ua Recht auf Bescheid, auf Akteneinsicht, auf Berufung, auf Parteiengehör, auf Ladung zur öffentlichen Verhandlung) stellen danach subjektive öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung in einer Beschwerde gem Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG geltend gemacht werden kann


Schlagworte: Bescheidbeschwerde, Beschwerdelegitimation, Umweltanwalt, Feststellungsverfahren, Organpartei, prozessuale Rechte
Gesetze:

Art 131 B-VG, § 3 Abs 7 UVP-G 2000, § 2 Abs 4 UVP-G 2000

GZ 2009/04/0029, 22.06.2011

 

VwGH: Nach Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG kann - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Bei der Beurteilung der Beschwerdeberechtigung im Fall einer auf diese Bestimmung gestützten Beschwerde kommt es - unabhängig von der Parteistellung im Verwaltungsverfahren - lediglich darauf an, ob der Bf nach der Lage des Falles durch den angefochtenen Bescheid unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein kann. Die Beschwerdelegitimation setzt voraus, dass die auf Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG gestützte Beschwerde unter Berufung auf eine eigene, gegenüber dem Staat - als Träger der Hoheitsgewalt - bestehende Interessenssphäre des Bf erhoben wird. Fehlt es an der Behauptung, in einer eigenen Interessenssphäre verletzt zu sein, oder überhaupt an der Möglichkeit einer derartigen Verletzung, dann bedarf es zur Beschwerdeerhebung außer in den bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Fällen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung.

 

Der Kärntner Naturschutzbeirat, eingerichtet durch § 61 des Kärntner Naturschutzgesetzes 2002,  ist Umweltanwalt iSd § 2 Abs 4 UVP-G 2000. Er hat daher Parteistellung im Feststellungsverfahren nach § 3 Abs 7 UVP-G 2000.

 

Im Beschwerdefall wurde das Feststellungsverfahren nicht durch einen Antrag des Kärntner Naturschutzbeirates nach § 3 Abs 7 erster Satz UVP-G 2000 eingeleitet. Dem Kärntner Naturschutzbeirat kommt somit nicht bereits auf Grund einer derartigen Antragstellung eine Beschwerdelegitimation vor dem VwGH zu.

 

Auch § 19 Abs 3 UVP-G 2000 kann eine Beschwerdelegitimation im vorliegenden Fall nicht begründen:

 

§ 3 Abs 7 UVP-G 2000 regelt die Parteistellung in einem Feststellungsverfahren betreffend das Erfordernis einer UVP-Prüfung, während § 19 Abs 3 UVP-G 2000 eine solche Regelung für Genehmigungsverfahren gem UVP-G und Verfahren gem § 20 UVP-G trifft. Während im § 19 Abs 3 UVP-G 2000 für den Umweltanwalt auch die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an den VwGH ausdrücklich vorgesehen ist, räumt ihm § 3 Abs 7 UVP-G diese Berechtigung im Feststellungsverfahren nicht ein. Aus § 3 Abs 7 leg cit ergibt sich vielmehr, dass dem Umweltanwalt im Feststellungsverfahren die Stellung einer Formalpartei zukommt (vgl idS zur Beschwerdelegitimation der Standortgemeinde im Feststellungsverfahren gem § 3 Abs 7 UVP-G - allerdings vor der UVP-G-Novelle 2004, in welcher der Standortgemeinde, nicht aber dem Umweltanwalt eine Berechtigung zur Beschwerdeerhebung eingeräumt wurde - den hg Beschluss vom 16. Oktober 2003, 2003/03/0087).

 

Der VwGH hat in Fällen, in denen einer Organpartei keine eigene, gegen den Staat gerichtete Interessenssphäre zukam, dieser aber insoweit die Beschwerdelegitimation zuerkannt, als es zur Durchsetzung der aus der Parteistellung folgenden prozessualen Befugnisse erforderlich ist. Nur die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte (ua Recht auf Bescheid, auf Akteneinsicht, auf Berufung, auf Parteiengehör, auf Ladung zur öffentlichen Verhandlung) stellen danach subjektive öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung in einer Beschwerde gem Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG geltend gemacht werden kann (vgl insoweit zur Standortgemeinde in einem Feststellungsverfahren nach § 3 Abs 7 UVP-G den hg Beschluss vom 24. März 2004, 2004/04/0036).

 

Da dem Kärntner Naturschutzbeirat nach dem Obgesagten durch § 3 Abs 7 fünfter Satz UVP-G 2000 als Umweltanwalt ausdrücklich eine Parteistellung im Feststellungsverfahren eingeräumt wird, könnte die Behauptung einer Verletzung der genannten Parteirechte eine Beschwerdelegitimation begründen (vgl in diesem Sinne bereits zum Feststellungsverfahren nach § 3 Abs 6 UVP-G, BGBl Nr 697/1993, das hg Erkenntnis vom 17. Jänner 1997, 96/07/0228, mwN).

 

Eine derartige Verletzung in prozessualen Parteirechten wird aber mit der vorliegenden Beschwerde nicht geltend gemacht:

 

Als Beschwerdepunkt macht der Kärntner Naturschutzbeirat geltend, im "Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens gem. § 37 ff AVG" sowie im "Recht auf Wahrnehmung seines Schutzrechtes hinsichtlich des Naturschutzgesetzes sowie die UVP-G 2000 und gemeinschaftsrechtlicher Materien" verletzt zu sein. In den Beschwerdegründen führt der Kärntner Naturschutzbeirat lediglich aus, die Kärntner Landesregierung hätte der Umwidmung näher bezeichneter Grundflächen im Bereich des beschwerdegegenständlichen Vorhabens nicht die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilen dürfen. Zudem weise die Situierung des gegenständlichen Vorhabens eine fehlende Bauplatzeignung auf und seien auch dem Umwelt- und Naturschutzbericht schwerwiegende Mängel anzulasten. Eine gegenständliche Naturverträglichkeitsprüfung könne nicht als brauchbare Entscheidungsgrundlage für die Umwidmung herangezogen werden. Die Umwidmungen und der Bebauungsplan zum Zwecke der Errichtung der gegenständlichen Hotelanlage seien mit den Zielsetzungen eines näher bezeichneten Landschaftsschutzgebietes nicht vereinbar. Weiters seien auch beim vorliegenden Vorhaben Versiegelungen und Raumbedarf sowie Verkehrsaufkommen gegeben. Aus all diesen Gründen wäre nach Auffassung des Kärntner Naturschutzbeirates als Bf für das gegenständliche Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend erforderlich gewesen.

 

Hingegen wird vom Kärntner Naturschutzbeirat als Bf eine Verletzung von prozessualen Rechten, die sich aus der ihm gem § 3 Abs 7 fünfter Satz UVP-G 2000 ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergeben, nicht geltend gemacht.

 

Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gem § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen. Angemerkt sei, dass der Beschwerde auch in der Sache kein Erfolg beschieden wäre, da sie sich in keinster Weise gegen die Feststellung im angefochtenen Bescheid wendet, durch das geplante Vorhaben würde keiner der vorliegend in Betracht kommenden, im Anhang I Z 20 lit b UVP-G 2000 festgelegten Schwellenwerte erreicht.