11.10.2011 Zivilrecht

OGH: Verdienstentgangsansprüche des Geschädigten (iZm Bezug von Versehrtenrente)

Der Schadenersatzanspruch auf Ersatz von Verdienstentgang dient dem gleichen Zweck wie der Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger auf Leistung einer Versehrtenrente, nämlich dem Ausgleich des durch die Schadenszufügung verminderten oder nur unter erschwerten Voraussetzungen erzielbaren Erwerbseinkommens; überdies müssen sachlich kongruente Sozialversicherungs- und Schadenersatzansprüche aber noch für denselben Zeitraum zustehen („zeitliche Kongruenz“)


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Verdienstentgangsansprüche, Nettoverdienst, Versehrtenrente, sachliche / zeitliche Kongruenz
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB

GZ 10 Ob 55/11b, 30.08.2011

 

OGH: Es entspricht stRsp, dass dem Geschädigten der hypothetisch erzielbare Nettoverdienst gebührt, wobei allerdings die Steuer- und sonstigen Abgabenverpflichtungen erneut zu berücksichtigen sind, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstehen. Die Schadenersatzleistung ist so zu bemessen, dass sie unter Berücksichtigung der durch die wieder entstehenden Abzüge dem Nettoschaden entspricht. Unter Umständen kann dieser Betrag auch gem § 273 ZPO bestimmt werden. Ob § 273 ZPO anzuwenden ist, ist eine verfahrensrechtliche Entscheidung, die mit Mängelrüge zu bekämpfen ist. Der Revisionswerber rügt nun als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, dass das Berufungsgericht zur Bestimmung des Nettoverdienstentgangs § 273 ZPO angewendet habe, obwohl keine ausreichenden Behauptungen zur Höhe des Nettoverdienstentgangs aufgestellt worden seien. Ob aber im Hinblick auf die Prozessbehauptungen ein Vorbringen so ausreichend spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Hat das Berufungsgericht das Klagevorbringen zum Verdienstentgang im Hinblick auf die Beilage /.C als ausreichend erachtet, ist eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens infolge Anwendung des § 273 ZPO zur Bestimmung des Nettoverdienstentgangs zu verneinen.

 

Das Berufungsgericht hat die vom Erstbeklagten in seiner Berufung gewünschte Tatsachenfeststellung nicht getroffen, es könne nicht festgestellt werden, welchen Nebengebührenentgang der Kläger während seines Krankenstands tatsächlich erlitten hat. Es hat dies damit begründet, dass nach den Beweisergebnissen keine Pauschalierung der Nebengebühren vorgelegen sei. Die Behauptung des Bw, auch während des Krankenstands seien dem Kläger pauschalierte Nebengebühren gewährt worden, sei deshalb lediglich als Unterstellung zu werten. Entgegen den Revisionsausführungen enthält diese Begründung lediglich eine wertende Überprüfung der Beweiswürdigung, nicht aber eine Verschiebung der Behauptungs- und Beweislast zur Höhe der Verdienstentgangsansprüche auf den Erstbeklagten. Fragen der Beweiswürdigung sind aber nicht revisibel.

 

Das Berufungsgericht hat eine zeitliche Kongruenz zwischen den Verdienstentgangsansprüchen und der Versehrtenrente nur für 17 Tage (für den Zeitraum vom 23. Mai bis 8. Juni 2009) als gegeben erachtet. Demgegenüber wünscht der Revisionswerber die Anrechnung „der gesamten gewährten Versehrtenrente auf den gesamten geltend gemachten Verdienstentgangsanspruch“, somit von 3.441,08 EUR auf den im Zeitraum des Krankenstands vom 22. 2. 2009 bis 8. 6. 2009 geltend gemachten Anspruch an entgangenen Verdienst für Nebengebühren iHv 4.434,05 EUR. Dazu ist auszuführen:

 

Soweit eine Sozialversicherungsleistung für einen bestimmten Zeitraum gebührt, bedarf es neben der Normierung der materiellen und formellen Leistungsvoraussetzungen noch der Festlegung, ab welchem Zeitpunkt die Leistung zusteht („Leistungsanfall“). Da die Versehrtenrente - wie die übrigen Leistungen der Unfallversicherung - gegenüber jenen der Krankenversicherung nachrangig ist, fällt sie erst nach Ende eines Krankengeldbezugs an. Nach § 102 B-KUVG fällt die Versehrtenrente mit dem Tag nach dem Wegfall der durch den Dienstunfall oder der Berufkrankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit an, spätestens aber nach Ablauf des dritten Monats nach dem Eintritt des Versicherungsfalls. Entsprechend § 102 B-KUVG fiel die Versehrtenrente im vorliegenden Fall (erst) nach Ablauf des dritten Monats nach dem Dienstunfall an, somit am 23. 5. 2009. Für den davorliegenden Zeitraum vom 22. 2. 2009 bis 22. 5. 2009 bestand hingegen kein Anspruch auf Versehrtenrente.

 

Es entspricht stRsp, dass der Schadenersatzanspruch auf Ersatz von Verdienstentgang dem gleichen Zweck dient, wie der Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger auf Versehrtenrente. Überdies müssen sachlich kongruente Sozialversicherungs- und Schadenersatzansprüche aber noch für denselben Zeitraum zustehen („zeitliche Kongruenz“). Die Versicherungsanstalt der Öffentlich Bediensteten darf sich demnach den Rückersatz der ab 23. 5. 2009 bis 28. 2. 2010 erbrachten Versehrtenrente nicht mittels eines - an sich sachlich kongruenten - aber außerhalb dieses Zeitraums liegenden Verdienstentgangsanspruchs verschaffen. Mit diesen Grundsätzen steht die Entscheidung des Berufungsgerichts in Einklang.