11.10.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage der Sicherung pauschalierter Aufwandsersätze im Sportbereich nach § 1 IESG

Für den Schutzbereich des IESG ist die Absicht des Arbeitnehmers maßgebend, ein über den bloßen Aufwandsersatz hinausgehendes Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts zu erzielen; so wie ein atypisch gestaltetes Arbeitsverhältnis nicht in den Schutzbereich des IESG fällt, gilt dies auch für eine bloße Aufwandsersatzregelung im Verhältnis zu einem sogar weisungsbefugten (insolventen) Dritten, mit der nicht Zwecke der Existenzsicherung verfolgt werden


Schlagworte: Insolvenzentgelt, Sportbereich, Aufwandsersatz, Existenzsicherung
Gesetze:

§ 1 IESG

GZ 8 ObS 13/11m, 30.08.2011

 

Der Kläger war seit dem Schuljahr 2008/2009 als Lehrer an einem Gymnasium mit sportlichem Schwerpunkt im Rahmen einer vollen Lehrverpflichtung beschäftigt. Das Arbeitsausmaß betrug 20 Werteinheiten, die derart aufgeteilt waren, dass der Kläger 12 Werteinheiten am Vormittag als Turnlehrer am Gymnasium erbrachte. Im Ausmaß von acht Werteinheiten war er im Rahmen einer Fußballakademie als Jugendtrainer zugunsten eines Fußballclubs abgestellt. Die Entlohnung der gesamten Lehrverpflichtung erfolgte durch den Bund. Hinsichtlich der Tätigkeit für den Fußballclub wurde mit dem Kläger ein Jahresvertrag abgeschlossen, demzufolge er einen pauschalierten Aufwandsersatz iHv 100 EUR monatlich erhielt. Damit sollte auch der Aufwand für die Matchbetreuung an den Wochenenden abgegolten werden.

 

OGH: Der Kläger war mit einer vollen Lehrverpflichtung am Gymnasium beschäftigt, wobei er hinsichtlich eines Teils seiner Arbeitsleistungen zugunsten des Fußballclubs als Trainer abgestellt war. Die Entlohnung der vollen Lehrverpflichtung erfolgte über die Schule durch den Bund. Aufgrund dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Tätigkeit für den Fußballclub im Rahmen seiner Lehrverpflichtung und damit im Rahmen des Dienstverhältnisses zur Schule erbrachte. Es handelte sich somit um eine Art Dienstzuteilung. Für diese Tätigkeiten wurde aber kein gesonderter Arbeitsvertrag mit dem Fußballclub abgeschlossen.

 

Richtig ist, dass es bei einer Arbeitskräfteüberlassung sui generis dem dritten Beschäftiger freisteht, va zur Abgeltung zusätzlicher Leistungspflichten dem Arbeitnehmer ein zusätzliches Entgelt bzw eine Zulage zu gewähren. Diese Judikatur bezieht sich auf die Begründung einer zusätzlichen privatrechtlichen Verpflichtung zum dritten Beschäftiger neben einem ausgegliederten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis.

 

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Frage nach einem gesonderten privatrechtlichen Rechtsverhältnis neben einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis im vorliegenden Fall nicht stellt. Davon abgesehen begründet eine bloße Entgeltvereinbarung mit einem Dritten noch kein Arbeitsverhältnis zu diesem. Durch den zwischen dem Fußballclub und dem Kläger abgeschlossenen Jahresvertrag wurde auch keine Vereinbarung über ein Arbeitsentgelt getroffen, sondern dem Kläger eine Abgeltung von Aufwendungen, wie zB Reisekosten, zuerkannt. Schon angesichts der Höhe des Aufwandsersatzes bestehen für eine Falschbezeichnung keine Anhaltspunkte. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erhielt der Kläger den Aufwandsersatz auch nicht nur oder hauptsächlich für seine Trainertätigkeiten an den Wochenenden. Vielmehr bezog sich diese Leistung auf die gesamte Tätigkeit des Klägers für den Fußballclub.

 

Die Begründung des Berufungsgerichts zu dem von ihm angenommenen Zustandekommen eines gesonderten Dienstverhältnisses zum Fußballclub hält der Überprüfung durch den OGH somit nicht stand. Auch eine gesonderte Vereinbarung über die Leistung von Arbeitsentgelt ist mit dem Fußballclub nicht zustande gekommen.

 

Zur Sicherungsfähigkeit von Entgelt- bzw sonstigen Zahlungsansprüchen gilt Folgendes:

 

Dem Kläger ist zuzustimmen, dass die Leistung des den Gegenstand des Verfahrens bildenden Aufwandsersatzes auf einem gesonderten (Jahres-)Vertrag zum Fußballclub beruhte. Weiters ist zutreffend, dass auch vertraglich zugesicherte Aufwandsentschädigungen - als sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber - nach § 1 Abs 2 Z 3 IESG gesichert sind. Dies gilt allerdings nur dann, wenn diese Ersatzleistungen im Rahmen eines vom Schutzbereich des IESG erfassten Vertragsverhältnisses erbracht werden.

 

Der Zweck des IESG besteht nach der Rsp des OGH in einer sozialversicherungsrechtlichen Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von Arbeitnehmern im Fall der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Versichertes Risiko ist demnach im Kernbereich die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind.

 

Ausgehend von diesen Wertungen hat der OGH bereits wiederholt ausgesprochen, dass völlig atypisch gestaltete Arbeitsverhältnisse, die nicht auf die Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet sind, nicht nach den Bestimmungen des IESG gesichert sind. Ebenso entspricht es der Rsp, dass für das IESG der sozialversicherungsrechtliche Entgeltbegriff (§ 4 Abs 2 hier iVm § 49 Abs 3 Z 28 ASVG) maßgebend ist.

 

Für den Schutzbereich des IESG ist demnach die Absicht des Arbeitnehmers maßgebend, ein über den bloßen Aufwandsersatz hinausgehendes Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts zu erzielen. So wie ein atypisch gestaltetes Arbeitsverhältnis nicht in den Schutzbereich des IESG fällt, gilt dies auch für eine bloße Aufwandsersatzregelung im Verhältnis zu einem sogar weisungsbefugten (insolventen) Dritten, mit der nicht Zwecke der Existenzsicherung verfolgt werden.

 

Der Hinweis der Beklagten auf § 49 Abs 3 Z 28 ASVG iVm der Verordnung des BMAGS BGBl II 1998/41 ist durchaus berechtigt.

 

Die hauptberufliche Tätigkeit des Klägers bestand in der Lehrtätigkeit am Gymnasium; das Entgelt zur Existenzsicherung wurde ausschließlich vom Bund bezahlt. Die Ansicht des Erstgerichts, dass der aus dem Jahresvertrag zum insolventen Fußballclub resultierende Aufwandsersatz in § 1 IESG keine Deckung finde, erweist sich damit als zutreffend. Aus diesem Grund war die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.