OGH: Syndikatsvertrag und Ausschluss des (ordentlichen) Kündigungsrechts
Da die Beendigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund jedem Dauerschuldverhältnis immanent ist, kann zwar der völlige Verzicht darauf nicht wirksam vereinbart werden; allerdings kann die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses trotz Kündigungsverzichts aus wichtigen Gründen nur das „äußerste Notventil“ sein, weshalb bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Auflösungsgrund vorliegt, ein strenger Maßstab anzulegen ist und die Gründe ein erhebliches Gewicht haben müssen; darüber hinaus ist das Auflösungsinteresse des einen Teils gegen das Bestandsinteresse des anderen Teils abzuwägen
§§ 1175 ff ABGB, § 1212 ABGB
GZ 6 Ob 80/11z, 14.09.2011
OGH: Der „Beteiligungsvertrag“ enthält ua Regelungen über die Ausübung der Stimmrechte der Gesellschafter und soll den Gesellschaftsvertrag ergänzen. Der „Beteiligungsvertrag“ stellt sich somit als Stimmrechtsbindungs- bzw Syndikatsvertrag (letzterer geht über die Stimmbindung hinaus) dar.
Darunter werden regelmäßig rechtsgeschäftliche Bindungen zukünftigen Abstimmungsverhaltens zwischen den Gesellschaftern verstanden; sie sind sinnvolle Ergänzungen von Gesellschaftsverträgen, ohne in die gesellschaftsrechtliche Organstruktur einzugreifen. Syndikatsverträge begründen ein Dauerschuldverhältnis, das als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zu qualifizieren ist. Gem § 1212 ABGB ist ein Syndikatsvertrag daher ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar, wenn er auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, bei Abschluss auf bestimmte Zeit jedoch nur aus wichtigem Grund.
Dabei muss die Zeitdauer für einen möglichen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts nicht kalendermäßig festgelegt werden; sie kann sich auch aus dem Gesellschaftszweck oder den sonstigen zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen ergeben, wenn daraus hervorgeht, dass die Parteien eine längerfristige Bindung eingehen wollten. Im Rahmen eines solchen zeitlichen Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechts könnte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur aus wichtigen Gründen (außerordentliche Kündigung) aufgelöst werden. § 1212 ABGB normiert damit nur das, was ganz allgemein für Dauerschuldverhältnisse mit unbestimmter Dauer zu gelten hat: Die freie Kündbarkeit eines nicht auf bestimmte Zeit eingegangenen Dauerschuldverhältnisses bildet zwar die Regel, es ist aber immer die Absicht der Parteien maßgebend, die uU darauf gerichtet sein kann, die freie Kündbarkeit - auch nur für einen gewissen Zeitraum - ohne Angabe von Gründen nicht ohne weiteres zuzulassen.
Offensichtlich im Hinblick auf Punkt 6. des „Beteiligungsvertrags“ (Die Vertragsparteien verzichten im Rahmen des gesetzlich Möglichen auf jedwede Anfechtung dieses Vertrags …) gehen die Kläger selbst und insofern zutreffend (vgl etwa Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1212 Rz 9, wonach § 1212 ABGB dispositiv und daher ein teilweiser oder gänzlicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung zulässig ist) davon aus, dass der „Beteiligungsvertrag“ nicht ordentlich kündbar, sondern (allenfalls) nur aus wichtigem Grund (außerordentlich) kündbar ist. In ihrer außerordentlichen Revision berufen sie sich auf eine (angebliche) Verleumdung des Erstklägers durch die Beklagte gegenüber einem Geschäftspartner der Gesellschaft was - bei entsprechender Schwere der Verleumdung - infolge Wegfalls der Vertrauensbasis die Fortsetzung des Dauerrechtsverhältnisses für die Klagsseite unzumutbar erscheinen lassen und daher einen wichtigen Grund darstellen könnte.
Die Vertragsparteien haben auf jedwede Anfechtung des Syndikatsvertrags verzichtet, worunter wohl auch ein Verzicht auf jedwede Aufkündigung verstanden werden könnte. Da die Beendigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund jedem Dauerschuldverhältnis immanent ist, kann zwar der völlige Verzicht darauf nicht wirksam vereinbart werden.
Allerdings kann die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses trotz Kündigungsverzichts aus wichtigen Gründen nur das „äußerste Notventil“ sein, weshalb bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Auflösungsgrund vorliegt, ein strenger Maßstab anzulegen ist und die Gründe ein erhebliches Gewicht haben müssen. Darüber hinaus ist das Auflösungsinteresse des einen Teils gegen das Bestandsinteresse des anderen Teils abzuwägen.
Die Beklagte hat sich bereits im Verfahren erster Instanz (ua) darauf berufen, dass sich die Gesellschaft in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde, der Erstkläger jedoch nicht einmal mehr an Gesellschafterversammlungen teilnehme, weil er bereits mit neuen Beteiligungspartnern verhandle; dass den Klägern die Fortsetzung der Beteiligung nicht mehr zumutbar sei, wurde von der Beklagten, die jedenfalls 1,7 Mio EUR in die Gesellschaft eingebracht hatte, ausdrücklich bestritten. Die Beklagte hat sich damit auf eine Interessenabwägung berufen. Dazu haben die Vorinstanzen jedoch nicht Stellung genommen, weshalb deren Entscheidungen insoweit aufzuheben waren.