19.10.2011 Verfahrensrecht

VwGH: Zulässigkeit der Aufrechnung gegen öffentlich-rechtliche Ansprüche?

Nach stRsp des VwGH sind im öffentlichen Recht mangels spezieller Vorschriften über die rechtlichen Voraussetzungen einer Aufrechnung die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes analog heranzuziehen


Schlagworte: Aufrechnung, öffentlich-rechliche Forderung
Gesetze:

§§ 1438 f ABGB

GZ 2010/12/0034, 30.05.2011

 

Der Bf rügt, dass der angefochtene Bescheid die Rechtmäßigkeit des Einbehaltes der dort bemessenen Pensionssicherungsbeiträge bzw Beiträge von den ausgezahlten Ruhebezügen feststelle, wiewohl § 13a PG bzw § 5a NGZG in allen hier maßgeblichen Fassungen keine Ermächtigung zum Einbehalt des Pensionssicherungsbeitrages bzw des Beitrages enthielten. Derartige Ermächtigungen Geldleistungen im Abzugswege einzubehalten sähen verschiedenste Bestimmungen des PG (§ 29 Abs 2, § 39 Abs 2, § 56 Abs 5, § 78 Abs 5 und § 80 Abs 5) vor. Das Fehlen einer entsprechenden Bestimmung führe zur Unzulässigkeit eines Einbehaltes im Abzugswege, zumal das Legalitätsprinzip einen Abzug ohne gesetzliche Ermächtigung schlichtweg ausschließe. Überdies seien ausdrückliche Ermächtigungen schon deshalb erforderlich, um das Unterlaufen gesetzlicher Mindestbeträge oder von Exekutionsbeschränkungen hintanzuhalten.

 

VwGH: Zunächst ist der Bf im Recht, wenn er darauf verweist, dass die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 13a PG bzw des § 5a NGZG keine Ermächtigung enthalten, den Pensionssicherungsbeitrag bzw den Beitrag durch Abzug von den Ruhebezügen hereinzubringen. Freilich übersieht der Bf, dass – dessen ungeachtet - die Zulässigkeit der Aufrechnung gegen öffentlich-rechtliche Ansprüche in der Rsp der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes anerkannt ist. In diesem Zusammenhang gilt, dass im öffentlichen Recht mangels spezieller Vorschriften über die rechtlichen Voraussetzungen einer Aufrechnung die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes analog heranzuziehen sind. Dies gilt gerade für die Aufrechnung mit jenen Ansprüchen des Bundes, für deren Hereinbringung keine ausdrückliche öffentlich-rechtliche Abzugsermächtigung erteilt wurde, also auch für den in § 13a PG geregelten Pensionssicherungsbeitrag bzw Beitrag. Gerade in Ansehung der Hereinbringung dieser Leistungen ist der Bund auf Kompensation gegen Ansprüche des Beamten, insbesondere gegen solche aus dem Dienst- bzw Ruhestandsverhältnis in analoger Anwendung privatrechtlicher Bestimmungen nachgerade angewiesen. Gem Art II Abs 6 Z 1 EGVG finden nämlich die Verwaltungsverfahrensgesetze - darunter fällt auch nach der Aufhebung des Art I EGVG durch BGBl I 2008/5 ua das VVG -, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, ua keine Anwendung für die Behandlung der Angelegenheiten des Dienstverhältnisses der Angestellten des Bundes. Die nach Art 18 B-VG erforderliche gesetzliche Deckung findet eine solche Aufrechnung somit in den analog anzuwendenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

 

Eine einseitige Aufrechnung durch Aufrechnungserklärung wirkt auch im Bereich des öffentlichen Rechts - entsprechend der von der zivilrechtlichen LuRsp entwickelten Dogmatik - bis zu dem Zeitpunkt zurück, in welchem die Forderungen einander zum ersten Mal aufrechenbar gegenüber gestanden sind. Darüber hinaus müssen die einander gegenseitig gegenüber stehenden Forderungen wirksam entstanden, klagbar (bemessbar), fällig und gleichartig sein, wobei weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Aufrechnungsverbot bestehen darf. Während nach herrschender zivilrechtlicher LuRsp die Liquidität der Gegenforderung nicht verlangt wird, kommt dem Erfordernis "formeller Liquidität", dh einer rechtskräftigen Feststellung jener Forderung, mit der aufgerechnet wird, sofern diese nicht unbestritten ist, in der Rsp des VwGH Bedeutung zu. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen mit einer nicht rechtskräftig festgestellten, bestrittenen öffentlich-rechtlichen Gegenforderung aufgerechnet werden darf, kann hier freilich dahingestellt bleiben, weil durch den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde jedenfalls eine rechtskräftige Bemessung der Pensionssicherungsbeiträge bzw Beiträge erfolgt ist. Die belangte Behörde durfte daher mit dem angefochtenen Bescheid in der gleichen logischen Sekunde die Erklärung der Aufrechnung abgeben und dieselbe vornehmen. Die oben dargestellte Rückwirkung der einseitigen Aufrechnung durch den Dienstgeber auf jenen Zeitpunkt, in welchem die Forderungen einander zum ersten Mal aufrechenbar gegenüber gestanden sind, rechtfertigt auch die unter einem (rückblickend) getroffene Feststellung der Rechtmäßigkeit der diesbezüglichen Einbehalte.

 

Wenn der Bf - darüber hinaus - Regelungen vermisst, welche das Unterlaufen von Pfändungsschutzbestimmungen durch Kompensation mit den in Rede stehenden dem Bund zustehenden Geldleistungen hintanzuhalten geeignet sind, so ist er darauf hinzuweisen, dass im System der analog anzuwendenden Aufrechnungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes auch das gesetzliche Aufrechnungsverbot nach § 293 Abs 3 EO, zu beachten ist, welches ua bezweckt, ein Unterlaufen der Pfändungsbeschränkungen der §§ 290a ff EO, welche auch für die Ruhebezüge des Bf (gegen die hier aufgerechnet wurde) gelten, zu verhindern.

 

Dafür, dass fallbezogen derartige Pfändungsbeschränkungen eine Rolle gespielt hätten, gibt es keine Anhaltspunkte.

 

Schließlich bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde im Ergebnis die (teilweise) Tilgung der dem Bf zustehenden Ruhebezüge durch Aufrechnung mit den hier bemessenen Pensionssicherungsbeiträgen bzw Beiträgen festgestellt hat.