VwGH: Störung der öffentlichen Ordnung iSd § 81 Abs 1 SPG und Verletzung des öffentlichen Anstandes
Soweit die behauptete Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Abs 1 SPG in einem Verhalten besteht, das zweifelsfrei ausschließlich als Verletzung des öffentlichen Anstandes zu qualifizieren ist, und sich demgemäß die Störung der öffentlichen Ordnung in dieser Anstandsverletzung erschöpft, fehlt dem Bund die Kompetenz, ein solches Verhalten unter Strafe zu stellen; ein derartiges Verhalten unterfällt daher - soweit es nicht überdies zu Störungen der öffentlichen Ordnung geführt hat, die über das durch die bloße Anstandsverletzung zwangsläufig verursachte Aufsehen hinausgeht - ausschließlich den nach landespolizeilichen Vorschriften bestehenden Strafbestimmungen hierüber
§ 81 SPG, § 1 NÖ PolStrG, Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG, Art 15 Abs 2 B-VG
GZ 2009/09/0154, 15.09.2011
VwGH: Die Bestimmungen des SPG stützen sich auf den Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG. Dieser weist die "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung ..." in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund zu, nimmt aber ausdrücklich die "örtliche Sicherheitspolizei" davon aus. Nach Art 15 Abs 2 B-VG gehört zur örtlichen Sicherheitspolizei jener Teil der Sicherheitspolizei, der im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet ist, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Als Beispiele für solche Angelegenheiten wurden mit der B-VG-Nov 1974 (BGBl Nr 444) ua die Wahrung des öffentlichen Anstandes in diese Bestimmung aufgenommen. Zur gesetzlichen Regelung der örtlichen Sicherheitspolizei ist somit der Landesgesetzgeber zuständig, während die Vollziehung - mit Ausnahme der Durchführung eines Strafverfahrens - nach Art 118 Abs 3 Z 3 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fällt.
Zum Wesen einer Ordnungsstörung iSd § 81 Abs 1 SPG gehört, dass am konkreten Zustand der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten des Beschuldigten eine Änderung eingetreten ist. Soweit die behauptete Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Abs 1 SPG aber in einem Verhalten besteht, das - wie hier - zweifelsfrei ausschließlich als Verletzung des öffentlichen Anstandes zu qualifizieren ist, und sich demgemäß die Störung der öffentlichen Ordnung in dieser Anstandsverletzung erschöpft, fehlt dem Bund die Kompetenz, ein solches Verhalten unter Strafe zu stellen. Ein derartiges Verhalten unterfällt daher - soweit es nicht überdies zu Störungen der öffentlichen Ordnung geführt hat, die über das durch die bloße Anstandsverletzung zwangsläufig verursachte Aufsehen hinausgeht - ausschließlich den nach landespolizeilichen Vorschriften bestehenden Strafbestimmungen hierüber.
Im vorliegenden Fall erschöpfte sich die dem Bf zum Vorwurf gemachte Tathandlung in dem Aufstellen einer Figur mit Schweinekopf und einem aus dem Hosenschlitz ragenden Schweineschwanz. Damit unterfiel dieses Verhalten nicht neben der landespolizeilichen (hier: § 1 lit b NÖ PolStrG) auch der bundesgesetzlichen Regelung des § 81 Abs 1 SPG.