OGH: Gebühr des Sachverständigen gem § 24 GebAG – Geltendmachung der Gebührennote eines deutschen Sachverständigen, der im Auftrag des Gerichts tätig wurde, netto oder brutto?
Der Bund, der im Bereich seines hoheitlichen Handelns auch steuerbare Umsätze bewirkt, gilt in Bezug auf alle an ihn erbrachten sonstigen Leistungen als Unternehmer nach § 3a Abs 5 Z 1 UStG; die Leistung eines ausländischen Sachverständigen, der im Auftrag des Gerichts ein Gutachten erstattet, wird daher im Inland erbracht; für den Fall einer solchen Umkehrung der Steuerschuld (Reverse Charge System) ist dem Sachverständigen nur der Nettobetrag zu überweisen; dem Gericht obliegt als Leistungsempfänger und Steuerschuldner nach § 19 Abs 1 UStG die Abgabenmeldung iSd § 21 UStG und die Abführung an das gem § 15 Abs 3 AbgabenverwaltungsorganisationsG zuständige Finanzamt
§ 24 GebAG, § 3a Abs 5 UStG, § 19 UStG, § 38 GebAG
GZ 16 Ok 6/11, 16.09.2011
Der mit Beschluss vom 13. 12. 2010 bestellte Sachverständige mit Sitz in Deutschland verzeichnete in seiner Gebührennote vom 28. 2. 2011 157.458,90 EUR netto zuzüglich 29.917,10 EUR an 19-prozentiger deutscher Umsatzsteuer.
Die Antragsgegner erhoben Einwendungen lediglich gegen den Zuspruch der begehrten Umsatzsteuer. Nach dem erweiterten Unternehmerbegriff des § 3a Abs 5 Z 1 und Z 2 UStG idF des Budgetbegleitgesetzes 2009 sei das OLG Wien trotz hoheitlicher Tätigkeit als Unternehmer anzusehen, wobei schon ausreichend sei, dass der Bund über eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID) verfüge. Da das OLG Wien Auftraggeber und Empfänger der Sachverständigenleistung sei, hätte der Gutachter die Honorarnote netto ausstellen und einen Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger aufnehmen müssen. Die 20-prozentige österreichische Umsatzsteuer habe das OLG Wien im Wege des „reverse charge system“ abzuführen.
Der Sachverständige macht geltend, dass nach Auffassung der deutschen Steuerbehörden der Leistungsort im Fall einer Beratungsleistung für den hoheitlichen Bereich einer auch unternehmerisch tätigen Körperschaft am Sitz des Sachverständigen (hier: in Deutschland) liege. Damit sei der Sachverständige verpflichtet, die Umsatzsteuer aus dem Nettobetrag in Deutschland an das Finanzamt abzuführen. Zwar wolle die deutsche Finanzverwaltung mit Wirkung vom 1. 7. 2011 in der angesprochenen Frage des Leistungsorts sonstiger Leistungen auf die in Österreich vertretene Linie einschwenken, für die Zeit davor halte sie aber an ihrer bisherigen Auffassung fest. Der Rechtsmittelwerber sei deshalb durch die angefochtene Entscheidung noch beschwert.
OGH: Das Erstgericht hat die seit 1. 1. 2010 geltende inländische Rechtslage betreffend den Leistungsort für sonstige Leistungen nach § 3a Abs 1 UStG (nach Umsetzung der RL 2008/8/EG des Rates vom 12. 2. 2008 zur Änderung der RL 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung, ABl L 44 vom 20. 2. 2008, durch das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52) zutreffend dargestellt.
Die im angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung, dass der Bund, der im Bereich seines hoheitlichen Handelns auch nicht steuerbare Umsätze bewirkt, in Bezug auf alle an ihn erbrachten sonstigen Leistungen als Unternehmer nach § 3a Abs 5 Z 1 UStG gilt, weshalb nach dem Empfängerortprinzip des § 3a Abs 6 UStG die sonstige Leistung an ihn am Ort seines Unternehmens ausgeführt wird, findet ihre Stütze in Art 2 RL 2008/8/EG sowie deren Erwägungsgründen 3 und 4. Danach sollen Dienstleistungen grundsätzlich an dem Ort besteuert werden, an dem der tatsächliche Verbrauch erfolgt und an dem der Empfänger ansässig ist (während es auf den Sitz des Dienstleistungserbringers nicht ankommt), wobei Steuerpflichtige, die auch nichtsteuerbaren Tätigkeiten nachgehen, für alle an sie erbrachten Dienstleistungen als Steuerpflichtige gelten.
Auch Schrifttum und Finanzverwaltung teilen diese Auffassung.
Mit Schreiben vom 10. 6. 2011 hat das deutsche Bundesministerium der Finanzen den Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. 10. 2010 ua dahin geändert, dass mit Wirkung vom 1. 7. 2011 die Anwendung der Ortsregelung für sonstige Leistungen nach § 3a Abs 2 Satz 1 dUStG (Ort der Ausführung ist der Ort, an dem der Empfänger der sonstigen Leistung sein Unternehmen betreibt) auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt, die sowohl hoheitlich als auch unternehmerisch tätig sind, und zwar unabhängig davon, für welchen Bereich die Leistung bezogen wird.
Dem Einwand des Rechtsmittelwerbers, er sei durch den angefochtenen Beschluss der Gefahr einer Doppelbesteuerung ausgesetzt, ist zu entgegnen, dass inländische Gerichte bei Anwendung inländischer Normen die Rechtspraxis ausländischer Behörden beim Vollzug ausländischer Normen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen haben. Sollte sich der Rechtsmittelwerber durch eine allfällige nachträgliche Steuervorschreibung durch den deutschen Fiskus aufgrund seiner im Anlassfall erbrachten (und dann bereits im Inland versteuerten) Leistung beschwert erachten, wird er einen allfälligen Verstoß deutscher Behörden gegen Unionsrecht (etwa gegen die RL 2008/8/EG) im sodann in Deutschland zu führenden Rechtsschutzverfahren geltend zu machen haben.
Zutreffend geht das Erstgericht davon aus, dass der Bund (das OLG Wien) als Leistungsempfänger auch Steuerschuldner ist (§ 19 Abs 1 UStG); ihm obliegt deshalb auch die Abgabenmeldung (§ 21 UStG) beim gem § 15 Abs 3 AbgabenverwaltungsorganisationsG zuständigen Finanzamt Wien 1/23.