OGH: Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 82 GmbHG – absolute Nichtigkeit eines Pfandbestellungsvertrag (hier war der Kreditnehmer (Nichtgesellschafter) nur Strohmann und der Geschäftsführer beabsichtige von Anfang an die Kreditvaluta für sich zu verwenden)?
Liegt Kollusion oder der für den Dritten bestehende, dringende Verdacht einer unzulässigen Einlagenrückgewähr vor, hat dies wegen Unwirksamkeit des Vertretungsakts infolge Fehlens der Vollmacht (des Vertreters der geschädigten Kapitalgesellschaft) die Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts zur Folge
§ 82 GmbHG, § 879 ABGB
GZ 6 Ob 29/11z, 14.09.2011
Die W***** GmbH (im Folgenden als Verkäuferin bezeichnet) war vormals Alleineigentümerin der im Spruch bezeichneten Liegenschaft mit der Adresse *****. Mit Kaufvertrag vom 20./27. 1. 2005 veräußerte die Verkäuferin diese Liegenschaft an die Rechtsvorgängerin der Klägerin. Zugunsten der Klägerin ist das Eigentumsrecht seit 2010 eingetragen. Mit Pfandbestellungsvertrag vom 3./18. 10. 2006 wurde die Liegenschaft zugunsten der beklagten Bank zur Sicherung einer Darlehensforderung derselben gegenüber K***** (im Folgenden als Kreditnehmer bezeichnet) verpfändet. Im Februar 2008 wurde dieses Pfandrecht im Höchstbetrag von 3.640.000 EUR zugunsten der Beklagten im Lastenblatt einverleibt.
OGH: Nach ständiger oberstgerichtlicher Rsp sind Rechtsgeschäfte, die gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 82 GmbHG verstoßen, absolut nichtig iSd § 879 ABGB. Diese Auffassung wird in der jüngeren Lehre grundsätzlich gebilligt.
Auf die absolute Nichtigkeit eines Geschäfts kann sich jedermann berufen, ohne dass es einer besonderen Anfechtung bedürfte.
Normadressaten des in § 82 GmbHG und § 52 AktG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind die Gesellschaft und der Gesellschafter (Aktionär), nicht aber auch ein Dritter. § 83 Abs 1 GmbHG und § 56 AktG räumen der Gesellschaft einen Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter (Aktionär) ein. Dritte sind bei Kollusion und grober Fahrlässigkeit rückgabepflichtig.
Diese grobe Fahrlässigkeit des Dritten wird in der Entscheidung 4 Ob 2078/96h dahingehend umschrieben, dass sich dem Dritten der Missbrauch geradezu aufdrängen musste. Eine Erkundigungspflicht wird danach für den Fall bejaht, dass besondere Umstände den Verdacht des Missbrauchs der Vertretungsmacht nahe legen.
In der Lehre wurde darauf hingewiesen, dass dieser Sorgfaltsmaßstab und diese Erkundigungspflicht noch zu streng seien.
Nach der diese Lehrmeinungen berücksichtigenden Entscheidung 6 Ob 271/05d ist eine allgemeine Erkundigungs- und Prüfpflicht der Bank (als des Dritten) wohl schon wegen der Komplexität des Themas des Fremdvergleichs abzulehnen und eine Nachfrage nur dort zu fordern, wo sich der Verdacht einer unzulässigen Einlagenrückgewähr schon so weit aufdrängt, dass der Verdacht nahezu einer Gewissheit gleichkommt.
Diese „Präzisierung der Sorgfaltspflichten des Dritten“ wurde in der Lehre positiv aufgenommen.
An diesem Sorgfaltsmaßstab ist festzuhalten.
Liegt Kollusion oder der für den Dritten bestehende, soeben umschriebene dringende Verdacht einer unzulässigen Einlagenrückgewähr vor, hat dies wegen Unwirksamkeit des Vertretungsakts infolge Fehlens der Vollmacht (des Vertreters der geschädigten Kapitalgesellschaft) die Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts zur Folge.
Ein Wissen der Vertreter der beklagten Bank vom Vollmachtsmissbrauch des Geschäftsführers (und somit Kollusion) steht nicht fest. Es ist aber nach den eben dargestellten Grundsätzen die von den Vorinstanzen unterlassene Prüfung vorzunehmen, ob im vorliegenden Fall bei der beklagten Bank eine derart verdichtete Verdachtslage auf das Vorliegen einer verbotenen Einlagenrückgewähr bestand, die zur Unwirksamkeit des Pfandbestellungsvertrags führt.
Der vorliegende Fall hat Ähnlichkeiten mit dem der Entscheidung 7 Ob 35/10p zugrunde liegenden Sachverhalt. Dieser lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass der mehrere (Konzern-)Gesellschaften beherrschende „Dominus der Geschäfte“ bei der klagenden Bank für einige „seiner“ Konzerngesellschaften Kredite erwirkte, für die sich die Beklagte, eine andere Konzerngesellschaft, ohne Gegenleistung verbürgte; der Bank war bekannt, dass alle beteiligten Gesellschaften unter dem Einfluss des „Dominus“ standen.
Der 7. Senat verneinte im Ergebnis, dass diese Bürgschaftsverpflichtung einem Fremdvergleich standhalte; ebenso sah er eine betriebliche Rechtfertigung, die das Geschäft wirksam gemacht hätte, als nicht gegeben an, weshalb ein Verstoß gegen § 82 GmbHG vorliege. Es handle sich um einen „hoch verdächtigen“ Fall, wodurch sich bei der kreditgebenden Bank der Verdacht einer unzulässigen Einlagenrückgewähr mit an Gewissheit grenzender Deutlichkeit aufdrängen habe müssen; die Bank hätte daher das Vorliegen einer betrieblichen Rechtfertigung hinterfragen und diesbezüglich Nachforschungen anstellen müssen. Die Unterlassung dieser Nachforschungen, die das Fehlen der betrieblichen Rechtfertigung und damit den Missbrauch der Vertretungsmacht des „Dominus“ der Bank zur Kenntnis gebracht hätte, gebe der beklagten Bürgin ein Leistungsverweigerungsrecht.
Karollus hat diese Entscheidung jedenfalls im Ergebnis gebilligt. Er meint jedoch unter Berufung auf 10 Ob 16/06k, die Kenntnis des Geschäftspartners von der (in 7 Ob 35/10p gegebenen) Gesellschafterstellung des materiell Begünstigten sei für das Entstehen einer Erkundigungspflicht und damit für die Annahme des Vollmachtsmissbrauchs essenziell. Wisse die Bank nicht einmal, dass der Kredit einem Gesellschafter gewährt werde, bestehe für die Bank nicht einmal ein Anfangsverdacht. Es wäre abwegig, auch bei derartigen Rechtsgeschäften, die nach dem sich der Bank bietenden Sachverhalt lediglich auf eine Zuwendung an einen außen stehenden Dritten (Nichtgesellschafter) hinausliefen, detektivische Nachforschungen der Bank darüber zu verlangen, ob sich dahinter nicht vielleicht doch auch eine mittelbare Zuwendung an den Gesellschafter verberge.
Im vorliegenden Fall wusste die beklagte Bank zwar nichts davon, dass der Kreditnehmer nur Strohmann war und der Geschäftsführer von Anfang an die Kreditvaluta für sich zu verwenden beabsichtigte. Nach dem Kenntnisstand der Bank war der Geschäftsführer weder mittelbar noch unmittelbar Gesellschafter des Kreditnehmers oder der durch den Kredit mittelbar begünstigten So***** GmbH.
Dennoch ist der vorliegende Fall mit der von Karollus bedachten Konstellation (Kredit an Nichtgesellschafter) nicht vergleichbar, weil mehrere besondere Umstände hinzutreten, die nach Auffassung des erkennenden Senats auch die gegenständliche Pfandbestellung „hoch verdächtig“ im Hinblick auf eine verbotene Einlagenrückgewähr machten: Der Beklagten war bekannt, dass die Verkäuferin „im Einflussbereich“ des Geschäftsführers war. Die Beklagte akzeptierte ein Liegenschaftspfand einer im Einflussbereich des Geschäftsführers befindlichen Gesellschaft für einen Kredit, den ein anderer „für den Aufbau und die Entwicklung“ einer Gesellschaft, an der zwar eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung des Geschäftsführers nicht feststeht, bekam. Dass eine Gesellschaft, die mit dem Kreditnehmer in keinem ersichtlichen Zusammenhang steht, für diesen eine Sicherheit bestellt, wäre schon ungewöhnlich und auffällig. Im vorliegenden Fall kommt aber noch dazu, dass der Beklagten aus dem präsentierten Unternehmenskonzept bekannt war, dass eine „S*****-Firma“, möglicherweise die S***** GmbH, und der Kreditnehmer nach einer Kapitalaufstockung Mehrheitsgesellschafter dieser GmbH werden sollten. Da nach den Feststellungen die Beklagte im Rahmen der seit 2004/2005 bestehenden ständigen Geschäftsbeziehung mit dem Geschäftsführer bei der Bonitätsprüfung ua auch die „Firmendaten“ der S***** GmbH überprüfte, war ihr bekannt, dass auch diese Gesellschaft im Einflussbereich des Geschäftsführers war und er somit an dieser unmittelbar oder mittelbar oder beides beteiligt war. Dass es sich bei Unternehmen der „S*****-Gruppe“ um solche des Geschäftsführers handelte und die Beklagte dies wusste, hat diese übrigens in der Klagebeantwortung implizit zugestanden.
Nach seit 2000 bestehender oberstgerichtlicher Rsp und der Lehre sind auch auf Veranlassung eines Gesellschafters vorgenommene Zuwendungen der Gesellschaft an einen dem Gesellschafter nahestehenden Dritten, so zB an eine Gesellschaft, an der der Gesellschafter selbst beteiligt ist, iSd § 82 GmbHG verboten.
Die gegenständliche Pfandbestellung erfüllt - auch aus dem dargestellten Kenntnisstand der beklagten Bank - diese Voraussetzungen, weil der Kreditnehmer auch aus Sicht der Bank dem Geschäftsführer schon deshalb nahe stand, weil sich der Geschäftsführer, vermittelt durch eine „S*****-Firma“, ja in Zukunft an der zT dem Kreditnehmer gehörigen So***** GmbH beteiligen wollte. Ob für die Unzulässigkeit derartiger Zuwendungen das eigene Interesse des Gesellschafters an der Zuwendung erforderlich ist oder nicht, kann dahingestellt bleiben, weil hier dieses Interesse des Geschäftsführers im Hinblick auf die angestrebte künftige Beteiligung einer „S*****-Firma“ an der So***** GmbH ohnehin gegeben ist.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach hA vom Verbot der Einlagenrückgewähr auch ehemalige und künftige Gesellschafter erfasst sind.
Der erkennende Senat kommt daher zum Ergebnis, dass auch nach der im Zeitpunkt des Abschlusses des Pfandbestellungsvertrags zum Verbot der Einlagenrückgewähr bekannten Rsp der der beklagten Bank erkennbare Verdacht auf eine verbotene Einlagenrückgewähr sich in einer der Gewissheit nahe kommenden Weise aufdrängen musste und die Beklagte daher zu den unterlassenen Erkundigungen (Befragung des Geschäftsführers, warum die Verkäuferin ein Pfand für eine fremde Schuld bestellte, ob sie etwa dafür ein Entgelt bekam oder sonst aus dem Geschäft irgendeinen Vorteil zog) verpflichtet gewesen wäre. Nach der dargestellten Rechtslage ist der Pfandbestellungsvertrag daher absolut nichtig.