OGH: Zur Aufrechnung mit und gegen Spareinlagen
Die Aufrechnung mit einer Spareinlage gegen eine Forderung der Bank ist - allerdings nur gegen Vorlage des Sparbuchs (§ 32 Abs 2 BWG) – als grundsätzlich zulässig anzusehen; selbst die Kritiker der Entscheidung 6 Ob 688/77 gingen davon aus, dass die Aufrechnung der Bank gegen eine Spareinlage (erst) bei Vorlage des Sparbuchs wirksam möglich sei
§§ 1438 ff ABGB, § 32 BWG
GZ 2 Ob 204/10d, 20.10.2011
OGH: Nach der Rsp des OGH ist der Spareinlagenvertrag ein Vertrag sui generis, der gewisse Elemente eines Darlehens oder eines depositum irregulare enthält. Der Einleger hat gegen das Kreditinstitut ein Forderungsrecht auf Rückzahlung des erlegten Geldbetrags. Nähere Regelungen enthalten die §§ 31 f BWG:
§ 31 Abs 1 Satz 1 BWG definiert Spareinlagen als Geldeinlagen bei Kreditinstituten, die nicht dem Zahlungsverkehr, sondern der Anlage dienen und als solche nur gegen die Ausfolgung von besonderen Urkunden (Sparurkunden) entgegengenommen werden dürfen. Gem § 32 Abs 1 BWG ist auf der Sparurkunde jede Einzahlung auf eine Spareinlage und jede aus einer Spareinlage geleistete Auszahlung zu vermerken. § 32 Abs 2 Satz 1 BWG bestimmt, dass Auszahlungen aus einer Spareinlage nur gegen Vorlage der Sparurkunde geleistet werden dürfen. Nach § 32 Abs 3 Satz 1 BWG darf über Spareinlagen durch Überweisung - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - oder durch Scheck nicht verfügt werden.
Demnach dürfen Auszahlungen aus einer Spareinlage nur gegen Vorlage der Sparurkunde erfolgen, auf der sie zu vermerken sind. Ebenso sind Überweisungen zu Lasten der Spareinlage grundsätzlich unzulässig. Der Kunde kann allerdings gegen Vorlage der Sparurkunde den zu überweisenden Betrag abheben und anschließend auf ein anderes Konto einzahlen. Haben die Vertragspartner keine Bindung der Spareinlage für eine bestimmt Frist vereinbart, so kann der Kunde seinen Rückzahlungsanspruch jederzeit geltend machen. Der Anspruch wird mit der Vorlage der Sparurkunde zur sofortigen Auszahlung fällig gestellt.
Zur Befugnis der Bank mit einer eigenen Forderung gegen eine Spareinlage ihres Kunden einseitig aufzurechnen, liegt bisher nur eine - dies verneinende - Entscheidung des OGH vor (6 Ob 688/77 = SZ 50/127). Nach dem dort beurteilten Sachverhalt hatte der Sparer das Sparbuch einem Gläubiger als Kaution übergeben. Dieser legte das Sparbuch nach Eintritt des Kautionsfalls der Bank zur Auszahlung vor, die dabei jedoch eigene Forderungen aus einem überzogenen Gehaltskonto des Sparers in Abzug brachte.
Der OGH verneinte die Anwendbarkeit des (die Aufrechnung gestattenden) damaligen P. 7 AGBKrU auf Sparkonten, verwies auf die Rsp betreffend das Aufrechnungsverbot bei Guthaben auf Girokonten und argumentierte dahin, dass nach § 22 KWG [1939] Spareinlagen ihrer Zweckbestimmung gemäß von jedem nicht baren Zahlungsverkehr ausgeschlossen seien und dass Auszahlungen nur gegen Vorlage des Sparbuchs bewirkt werden dürften. Der daraus hervorgehende Geschäftszweck verbiete die Kompensation von Forderungen des Kreditinstituts gegen den Erleger mit dessen Forderung auf Rückzahlung der Spareinlage, denn damit würde in nicht barer Weise - dh in anderer Weise als durch Rückzahlung der Spareinlage gegen Vorlage des Sparbuchs - über die Spareinlage verfügt. Im Übrigen gestatte § 56 Abs 2 ZPO ausdrücklich die gerichtliche Sicherheitsleistung durch Erlag von Sparbüchern; diese Art der Sicherheitsleistung wäre aber vollkommen sinnlos, wenn es dem Kreditinstitut freistünde, mit allfälligen vor der Begründung des Pfandrechts iSd § 56 Abs 3 ZPO gegen den Erleger entstandenen Gegenforderungen zu kompensieren.
In der Lehre wurde diese Entscheidung, va aber ihre Begründung, überwiegend abgelehnt. Die im Wesentlichen Avancini folgenden Kritiker der Entscheidung wandten ein, das KWG (nunmehr § 32 Abs 3 BWG) verbiete zwar gewisse Verfügungen über die Spareinlage, doch sei eine auf welche Weise auch immer herbeigeführte Erfüllung durch den Schuldner keine „Verfügung“, denn „verfügen“ über eine Spareinlage könne nur der Gläubiger, nicht der Schuldner. Eine Kompensation sei auch mit der Auffassung vereinbar, dass Auszahlungen aus Spareinlagen nur gegen Vorlage des Sparbuchs vorgenommen werden dürften. Es gehe nämlich nicht um die Frage, auf welche Weise eine Auszahlung zu erfolgen habe, sondern nur darum, dass sie nur gegen Vorlage des Sparbuchs vorgenommen werden dürfe. Lege nun aber der Sparer das Sparbuch der Bank vor - und das müsse er, wenn er Auszahlung verlange - und gebe die Bank dabei eine Aufrechnungserklärung ab, dann bewirke sie eine Auszahlung gegen Vorlage des Sparbuchs. Schließlich sei mit dem Zahlungsverkehr, dem die Spareinlagen nach dem KWG (nunmehr § 31 Abs 1 BWG) nicht dienen dürften, der Zahlungsverkehr des Sparers mit Dritten, eingeschränkt auf Zahlungen des Sparers an Dritte, gemeint. Die Rückzahlung der Spareinlage gehöre hingegen nicht zu dem Zahlungsverkehr, von dem Spareinlagen ausgeschlossen bleiben sollten. Somit stehe auch die vorerwähnte Zweckbestimmung der Spareinlage einer unbaren Rückzahlung nicht entgegen. Auch das auf § 56 Abs 2 ZPO gestützte Argument wurde im Hinblick auf die Ermessensübung der Gerichte bei der Zulassung von Einlagebüchern zur Bewirkung einer Sicherheitsleistung als nicht überzeugend erachtet.
Zustimmend äußerte sich hingegen Rabl, der überdies für die Zeit vor Beendigung des Einlagenvertrags auf die aus § 962 ABGB abgeleitete mangelnde Berechtigung der Bank dem Sparer die Auszahlung (durch Aufrechnung) vorzeitig aufzudrängen und für die Zeit danach auf das Aufrechnungsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB verweist.
Die weitere einschlägige Entscheidung 6 Ob 69/97h betraf den umgekehrten Fall der Aufrechnung mit einer Spareinlage gegen eine Forderung der Bank. Diese wurde - allerdings nur gegen Vorlage des Sparbuchs (§ 32 Abs 2 BWG) - als grundsätzlich zulässig angesehen. Da die Vorlage dort nicht mehr möglich war - das Sparbuch war kurze Zeit vorher der Bank ausgefolgt worden - wurde das Bestehen einer Aufrechnungslage letztlich verneint.
Selbst die Kritiker der Entscheidung SZ 50/127 gingen in diesem Sinne erkennbar davon aus, dass auch die Aufrechnung der Bank gegen eine Spareinlage (erst) bei Vorlage des Sparbuchs wirksam möglich sei.
Nach einhelliger Auffassung in LuRsp müssen die Aufrechnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegen. Dies gilt auch für die Aufrechnungsvoraussetzung der Fälligkeit der Forderung des Aufrechnungsgegners, es sei denn, dass der Aufrechnende zur Erfüllung vor Eintritt der Fälligkeit berechtigt ist.
Die klagende Partei hat in ihrem Schreiben vom 13. 3. 2009 die Aufrechnung erklärt. Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung der beklagten Partei auf Rückzahlung ihrer Spareinlage mangels Vorlage des Sparbuchs noch nicht fällig. Da die klagende Partei gem § 32 Abs 2 BWG ohne Vorlage der Sparurkunde zur Auszahlung aus der Spareinlage - und somit zur vorzeitigen Erfüllung des Rückforderungsanspruchs - nicht berechtigt war, konnte die Aufrechnungserklärung nicht iSe Zahlung wirksam werden. Ob die beklagte Partei am 18. 6. 2009 das Sparbuch zur Auszahlung vorlegte, geht aus den Feststellungen nicht mit Sicherheit hervor; jedenfalls aber erfolgte die Vorlage am 30. 6. 2009. Die beklagte Partei behob einen Betrag von 115.199,10 EUR, den sie anschließend auf das Kreditkonto der Hauptschuldnerin überwies. In diesem Umfang wurde die Kreditforderung demnach nicht durch Aufrechnung, sondern durch Überweisung getilgt.
Die Revisionsbehauptung, auch die beklagte Partei habe die Aufrechnung erklärt, ist durch die Feststellungen nicht gedeckt. Auch die weitere Behauptung, ihrem Geschäftsführer sei - offenbar gemeint: trotz Vorlage des Sparbuchs - die Auszahlung der im März 2009 geforderten 50.000 EUR verweigert worden, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach der Geschäftsführer der beklagten Partei aufgrund der von einem Vertreter der klagenden Partei im Hinblick auf die „laufenden Verhandlungen“ geäußerten Bedenken von der Abhebung „vorerst abgesehen“ hat. Auf diese Argumente ist daher nicht weiter einzugehen.
Unter den dargelegten Umständen ist es nicht erforderlich, auf die gegen die Entscheidung SZ 50/127 vorgebrachte Kritik näher einzugehen. Selbst wenn man dieser folgen würde und entgegen der bisherigen Rsp (und auch gegen die auf § 1440 Satz 2 ABGB gestützten Einwände) die Aufrechnung der Bank gegen eine Spareinlage ihres Kunden für zulässig anzusehen wäre, würde diese aus den dargelegten Erwägungen im vorliegenden Fall jedenfalls daran scheitern, dass es am 13. 3. 2009 an einer wirksamen Aufrechnungserklärung fehlte und das Sparbuch (mit Sicherheit) erst am 30. 6. 2009 vorgelegt wurde.