06.12.2011 Zivilrecht

OGH: Fremdhändiges Testament – zur Frage, ob der von § 579 Satz 3 ABGB verlangte, auf die Zeugeneigenschaft hinweisende Zusatz bei der Unterschrift der Zeugen am fremdhändigen Testament auch „bildlich, also durch die räumliche Gestaltung“ bei klarer Trennung der von den Zeugen stammenden Unterschriften von jener der Erblasserin erfolgen kann

Schon begrifflich verlangt die Anbringung eines Zusatzes zur Unterschrift deren schriftliche Ergänzung, sodass die von der Revisionsrekurswerberin als ausreichend angesehene räumliche Gestaltung der Urkunde durch die Platzierung der Unterschriften dieses Formerfordernis keinesfalls zu ersetzen vermag; damit könnte überdies ihr Zweck, Testamentsfälschungen zu erschweren, nicht erfüllt werden


Schlagworte: Erbrecht, fremdhändiges Testament, Formvorschrift, Zeuge, Unterschrift, Zusatz, ohne jede textliche Ergänzung
Gesetze:

§§ 579 f ABGB, § 601 ABGB

GZ 3 Ob 174/11a, 08.11.2011

 

OGH: § 579 Satz 3 ABGB verlangt ausdrücklich, dass die „Zeugen […] auf der Urkunde selbst […] mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz unterschreiben“ müssen. Der Zweck dieser Formvorschrift wird zum einen darin gesehen, eine Verwechslung mit der Unterschrift des Erblassers zu vermeiden, anderseits fällt es Testamentsfälschern schwerer, Personen Unterschriften herauszulocken, die sie als Zeugenunterschriften ausgeben könnten. Schon begrifflich verlangt die Anbringung eines Zusatzes zur Unterschrift deren schriftliche Ergänzung, sodass die von der Revisionsrekurswerberin als ausreichend angesehene räumliche Gestaltung der Urkunde durch die Platzierung der Unterschriften dieses Formerfordernis keinesfalls zu ersetzen vermag; damit könnte überdies ihr Zweck, Testamentsfälschungen zu erschweren, nicht erfüllt werden.

 

Dementsprechend finden sich in der Rsp des OGH zwar Entscheidungen, die der Einhaltung dieser Formvorschrift großzügig gegenüber stehen (6 Ob 34/73 [eigenhändig geschriebener Zusatz nicht erforderlich]; 3 Ob 195/22 [nicht jeder Zeuge muss mit dem Beisatz unterschreiben]; 8 Ob 515/77 [Verwendung des Worts „Zeuge“ nicht unbedingt erforderlich]; 1 Ob 41/01p [Deutung des Zusatzes aus dem Text der letztwilligen Verfügung genügt]), nicht jedoch solche, die die Gültigkeit eines fremdhändigen Testaments ohne jede textliche Ergänzung der Unterschriften der Zeugen bejahen; ebenso wenig wird Derartiges in der aktuellen Lehre vertreten.

 

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die jeden Zusatz auf die Eigenschaft der unterfertigenden Zeugen entbehrenden Testamente vom 20. März 2010 seien mangels Einhaltung der Formvorschrift des § 579 ABGB nach § 601 ABGB ungültig, ist daher nicht korrekturbedürftig.