OGH: Nottestament gem § 597 ABGB
Nach dem klaren Wortlaut liegt die erforderliche Notsituation nur vor, wenn sowohl einerseits Lebensgefahr oder Gefahr des Verlusts der Testierfähigkeit als auch andererseits die (dadurch bedingte) Unmöglichkeit, in anderer Weise zu testieren, bestand
§ 597 ABGB, § 161 AußStrG
GZ 3 Ob 174/11a, 08.11.2011
OGH: Seit der Änderung des § 597 ABGB durch das FamErbRÄG 2004 steht die Form des mündlichen Testaments vor zwei Zeugen nur noch als Notform zur Verfügung. Voraussetzung ist, dass unmittelbar die Gefahr droht, dass der Erblasser stirbt oder die Fähigkeit zu testieren verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag. Nach dem klaren Wortlaut liegt die erforderliche Notsituation daher nur vor, wenn sowohl einerseits Lebensgefahr oder Gefahr des Verlusts der Testierfähigkeit als auch andererseits die (dadurch bedingte) Unmöglichkeit, in anderer Weise zu testieren, bestand.
Selbst wenn man annehmen wollte, dass sich die Erblasserin in einer durch objektive Umstände begründeten bedrohlichen Situation befand, die auch bei anderen Menschen in ihrer Situation den Eindruck erwecken würde, es bestünde wegen eines drohenden Schlaganfalls unmittelbar ernstliche Lebensgefahr oder die Gefahr des Verlusts der Testierfähigkeit, kann nach den hier zu beurteilenden konkreten Umständen des Einzelfalls keine Rede von der Unmöglichkeit, in anderer Weise zu testieren, die Rede sein. Der Erblasserin, deren Unfähigkeit, den Text ihrer letzwilligen Verfügung selbst zu schreiben, nicht behauptet wurde und auch den Beweisergebnissen und Feststellungen nicht zu entnehmen ist, stand ja primär die einfachste und naheliegendste Form der Testamentserrichtung, nämlich die Verfassung eines eigenhändigen Testaments nach § 578 ABGB offen, zumal auch (von den herbeigerufenen Personen mitgebrachtes) Schreibmaterial zur Verfügung stand. Die Revisionsrekurswerberin hat aber - trotz der Norm des § 161 Abs 1 AußStrG, die die zivilprozessualen Behauptungs- und Beweislastregeln in das Verfahren über das Erbrecht einführt, wonach grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen rechtserzeugenden Tatsachen zu beweisen hat - in ihrem Vorbringen nicht einmal versucht, plausibel zu machen, warum davon kein Gebrauch gemacht wurde; das geht zu Lasten der für die Gültigkeit des mündlichen Nottestaments behauptungs- und beweispflichtigen Revisionsrekurswerberin.
Schon deshalb haben die Vorinstanzen zu Recht die Umdeutung eines formungültigen fremdhändigen Testaments in ein gültiges mündliches Nottestament verweigert, sodass ihnen keine unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen ist.