07.12.2011 Sonstiges

VwGH: Schleichwerbung iSd § 19 Abs 4 lit b PrR-G

Schleichwerbung setzt einerseits die Absicht, einen Werbezweck zu erreichen, und andererseits die Eignung zur Irreführung über diesen Werbezweck voraus


Schlagworte: Privatradiorecht, Schleichwerbung, Irreführung über den Werbezweck, Absatzförderungsabsicht, Interview, journalistische Maßstäbe
Gesetze:

§ 19 PrR-G

GZ 2009/03/0172, 21.10.2011

 

VwGH: Nach § 19 Abs 4 lit b PrR-G ist Schleichwerbung unzulässig. Schleichwerbung ist die Erwähnung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Hörfunkveranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.

 

Nach der Rsp des VwGH zu den vom Wortlaut und Regelungszweck vergleichbaren Verbotsvorschriften in § 14 Abs 2 ORF-G idF BGBl I Nr 97/2004 und § 34 Abs 2 PrTV-G idF BGBl I Nr 97/2004, die daher auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann, setzt Schleichwerbung einerseits die Absicht, einen Werbezweck zu erreichen, und andererseits die Eignung zur Irreführung über diesen Werbezweck voraus.

 

Von der (grundsätzlich zulässigen) Werbung unterscheidet sich die unzulässige Schleichwerbung durch die Irreführung über den Werbezweck. Ist der Werbezweck einer Sendung bzw eines Sendungsteils nämlich offensichtlich und wird der Zuschauer über den Werbezweck nicht in die Irre geführt, so liegt von vornherein keine Schleichwerbung vor. Bei der Beurteilung, ob eine Erwähnung oder Darstellung von Waren und Dienstleistungen über den eigentlichen Zweck, nämlich den Werbezweck, irreführen kann, ist auf den durchschnittlich informierten und aufmerksamen Zuschauer abzustellen.

 

Die bf Partei bringt hinsichtlich der Sendung "Nix wie weg - A Reiseträume" vor, hier fehle es bereits an der Absatzförderungsabsicht. Im angefochtenen Bescheid werde die Absatzförderungsabsicht auch aus der Tatsache abgeleitet, dass in der gegenständlichen Sendung lediglich ein spezifischer Reiseveranstalter befragt worden sei. Ob zu einem bestimmten sachlich sehr eingeschränkten Thema wie "Hochzeitsreise inklusive Hochzeit in der Reisedestination" ein oder mehrere Reiseveranstalter befragt würden, könne für die Ermittlung der Absatzförderungsabsicht jedoch nicht relevant sein. Es entspreche vielmehr der jahrelangen Sendepraxis im öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rundfunk, zu ganz spezifischen Themen jeweils nur ein betroffenes Unternehmen in die Sendung einzubauen. Es liege jedenfalls in der redaktionellen Autonomie, zu entscheiden, ob zu bestimmten Themen Informationen von einem oder von mehreren Unternehmen eingeholt würden. Aussagen der befragten Mitarbeiterin des Reiseveranstalters über Eigenschaften der Destination (zB Ermäßigungen für "Honeymooners" auf Mauritius oder auf den Seychellen) seien allgemein gehalten und keineswegs auf einen bestimmten Reiseveranstalter wie J-Reisen beschränkt gewesen.

 

Nach stRsp des VwGH ist für das Vorliegen von "Werbung" entscheidend, ob die (gegen eine Gegenleistung bzw für ein eigenes Produkt gesendete) Äußerung bzw Darstellung insgesamt geeignet ist, das bislang uninformierte oder unentschlossene Publikum für den Erwerb dieses Produkts (Waren, Dienstleistungen) zu gewinnen, sodass auf das Ziel der Darstellung, nämlich den Absatz dieser Produkte zu fördern, geschlossen werden kann.

 

Im gegenständlichen Sendebeitrag wurden ein bestimmtes Dienstleistungsangebot - nämlich die Organisation von Hochzeiten im Ausland bzw von Hochzeitsreisen - eines einzelnen Reiseveranstalters präsentiert und die Vorzüge dieses Angebots hervorgehoben. Gleichzeitig wurde dem Reiseveranstalter die Möglichkeit eingeräumt, auf Preisermäßigungen, die sich eindeutig auf diese Produktgruppe bezogen, hinzuweisen. Die Moderatorin des Beitrags gab zu den Angaben der Vertreterin des Reiseveranstalters zustimmende Äußerungen und die Redakteurin des Beitrags forderte an dessen Schluss das Publikum auf, sich im Reisebüro einen Katalog des Reiseveranstalters zu holen.

 

Die belangte Behörde hat zutreffend erkannt, dass diese Form der Darstellung insgesamt dazu geeignet ist, bis dahin noch uniformierte und unentschlossene Hörer (va, wenn sich diese in der Vorbereitung einer Hochzeitsreise oder Hochzeit befinden) dazu zu gewinnen, Leistungen dieses Reiseveranstalters zu erwerben.

 

Die bf Partei bestreitet, dass der Beitrag geeignet war, Hörer über den Werbezweck in die Irre zu führen.

 

Der als redaktionelle Sendung gestaltete Beitrag mit dem Titel "Nix wie weg - A Reiseträume" musste beim durchschnittlichen Hörer - auch aufgrund der interviewhaften Gestaltung - den Eindruck erwecken, Informationen oder Eindrücke von Reisen, etwa in Form eines Reiseberichts oder der Beschreibung von Reisedestinationen zu erhalten. Der durchschnittliche Hörer musste aber aufgrund der Gestaltung des Beitrags nicht damit rechnen, mit den Vorzügen eines bestimmten Reiseveranstalters und dessen Produkten konfrontiert zu werden, oder gar aufgefordert zu werden, sich für die als besonders preisgünstig dargestellten Angebote (nur) dieses Reiseveranstalters einen Katalog im Reisebüro zu besorgen. Entgegen der Ansicht der bf Partei ist es nicht selbstverständlich, dass in einem Beitrag über Hochzeitsreisen, auch wenn dazu ein Interview mit einer Anbietervertreterin geführt wird, solche Reisen ausschließlich vorteilhaft dargestellt würden; vielmehr wäre bei Anwendung journalistischer Maßstäbe auch denkbar, dass zB "in geeigneter Weise auch auf soziale und politische Rahmenbedingungen und Hintergründe" verwiesen wird, wie dies etwa in dem - hier nur als Illustration für journalistische Grundsätze zitierten - "Ehrenkodex für die österreichische Presse" für Reise- und Tourismusberichte ausdrücklich verlangt wird. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei diesem bloß scheinbar redaktionellen Beitrag, der tatsächlich werbewirksam für einen Reiseveranstalter gestaltet war, das Vorliegen der Irreführungseignung angenommen hat.