OGH: Legalzession gem § 12 VOG – zur Frage, ob im Berufungsverfahren über einen Anspruch auf Ersatz nach dem VOG von Amts wegen auf einen nachträglichen Freispruch des Beklagten im dritten Strafverfahren Bedacht zu nehmen ist
Für das Ersatzverfahren nach § 12 VOG bestehen keine von den Regelungen der ZPO abweichenden Sonderbestimmungen, insbesondere gilt daher im Berufungsverfahren nach § 482 Abs 2 ZPO das Neuerungsverbot
§ 12 VOG, § 1 VOG, § 2 VOG, §§ 461 ff ZPO, § 530 ZPO
GZ 8 Ob 42/11a, 22.11.2011
Der Beklagte wurde am 19. 12. 2008 und am 30. 4. 2009 jeweils rechtskräftig wegen beharrlicher Verfolgung (§ 107a StGB) seiner ehemaligen Gattin strafgerichtlich verurteilt, wobei sich der Deliktszeitraum vom 16. 8. 2008 bis 30. 4. 2009 erstreckte. In einem dritten Strafverfahren, das den Vorwurf weiterer Verfolgungshandlungen des Beklagten zwischen dem 28. 5. bis 12. 8. 2009 zum Gegenstand hatte, erfolgte während des erstinstanzlichen Verfahrens ein nicht rechtskräftiger Schuldspruch.
Die Klägerin begehrte vom Beklagten aufgrund eines Forderungsübergangs nach § 12 VOG den Ersatz der am 24. 3. 2009 bewilligten Kosten einer psychotherapeutischen Langzeitbehandlung der geschiedenen Gattin und des Sohnes des Beklagten, die aufgrund der Straftaten notwendig geworden seien (§ 1 Abs 1 VOG).
OGH: Für das Ersatzverfahren nach § 12 VOG bestehen keine von den Regelungen der ZPO abweichenden Sonderbestimmungen, insbesondere gilt daher im Berufungsverfahren nach § 482 Abs 2 ZPO das Neuerungsverbot. Die nachträgliche Aufhebung einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung, auf die das Urteil gegründet wurde, könnte nur zur Grundlage einer Wiederaufnahmsklage gem § 530 Abs 1 Z 5 ZPO gemacht werden.
An einen strafgerichtlichen Freispruch sind die Zivilgerichte überhaupt nicht gebunden. Davon abgesehen sind die Vorinstanzen in ihrer Entscheidungsbegründung auch nie von einer Rechtskraft der dritten Verurteilung des Beklagten ausgegangen, sodass dem Thema der Revision keine Entscheidungsrelevanz zukommt. Für die dem Revisionswerber offenbar vorschwebende Vorstellung, die Kausalität der psychotherapeutischen Langzeittherapiesitzungen müsse mit dem Ende der strafgerichtlich geahndeten Tathandlungen enden, fehlt ein logisches Substrat.