VwGH: Notlage gem § 2 NotstandshilfeV – Anrechnung des Einkommens der Ehefrau des Arbeitslosen bei behaupteten getrennten Haushalten?
Bei aufrechter Ehe eines Arbeitslosen darf die Behörde im Verwaltungsverfahren nach dem AlVG grundsätzlich vom Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes iSd § 90 ABGB ausgehen, solange nicht die Parteien eine davon abweichende Lebensführung behaupten und die erforderlichen Beweismittel benennen oder beibringen
§ 33 AlVG, § 36 AlVG, § 2 NotstandshilfeV, § 6 NotstandshilfeV, § 90 ABGB
GZ 2008/08/0256, 07.09.2011
VwGH: Eine Anrechnung des Einkommens der Ehefrau des Arbeitslosen setzt voraus, dass der Arbeitslose im relevanten Zeitraum mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebt oder ein solcher gemeinsamer Haushalt zwar nicht besteht, der Arbeitslose aber die Hausgemeinschaft mit seiner Ehefrau nur deshalb aufgegeben hat oder ihr ferngeblieben ist, um der Anrechnung ihres Einkommens auf die ihm gebührende Notstandshilfe zu entgehen. Besteht kein gemeinsamer Haushalt, wären jedoch unter bestimmten Voraussetzungen Unterhaltsansprüche des Bf gegen seine Ehefrau als Einkommen des Bf anzurechnen (vgl dazu das Erkenntnis vom 22. Dezember 2010, 2008/08/0270).
Der Bf macht geltend, dass die belangte Behörde lediglich festgestellt habe, dass eine aufrechte Ehe bestehe, jedoch keine Tatsachenfeststellungen über einen gemeinsamen Haushalt getroffen worden seien.
Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass die belangte Behörde ausdrücklich festgestellt hat, dass der Bf gemeinsam mit seiner Ehefrau seit der Fertigstellung des "im gemeinsamen Besitz" befindlichen Hauses in einer Wiener Kleingartenanlage lebe; eine getrennte Lebensführung habe nicht festgestellt werden können und sämtliche anfallenden Kosten würden gemeinsam getragen.
Gem § 90 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders (ua) zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet. Von diesem (typischen) Bild einer aufrechten Ehe darf die Behörde im Verwaltungsverfahren nach dem AlVG grundsätzlich ausgehen, solange nicht die Parteien eine davon abweichende Lebensführung behaupten und die erforderlichen Beweismittel benennen oder beibringen. Anders würde nämlich bei Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich, wie jener nach der gemeinsamen oder getrennten Haushaltsführung von Eheleuten, die Behörde gar nicht in der Lage sein, von sich aus eine zweckentsprechende Ermittlungstätigkeit zu entfalten. Die Behörde ist daher berechtigt, vom Bestehen eines gemeinsamen Haushalts dann weiterhin auszugehen, wenn sie die gegenteiligen Behauptungen der Partei unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse für unglaubwürdig erachtet und die von der Behörde dazu in der Begründung des Bescheides angestellten Überlegungen einer Schlüssigkeitsprüfung standhalten. Es wäre somit am Bf gelegen, im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs im Verfahren vor der belangten Behörde weitere Beweisanträge zu stellen.