03.01.2012 Zivilrecht

OGH: Zur ärztlichen Aufklärungspflicht (iZm Operation)

Die ärztliche Aufklärung hat grundsätzlich so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt, deren Dauer von den Umständen des Einzelfalls abhängt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Arzthaftung, Aufklärungspflicht, rechtzeitig, Operation, Behandlungsvertrag
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB

GZ 1 Ob 215/11s, 24.11.2011

 

OGH: Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht seine Haftung nicht nur dann, wenn er eine aus dem mit ihm geschlossenen Behandlungsvertrag abgeleitete vertragliche Aufklärungspflicht verletzt hat. Es war der Beklagte, der mit Assistenz des Belegarztes die Operation durchführte. Diese brachte nicht den gewünschten Erfolg, aufgetretene Komplikationen erforderten weitere operative Eingriffe. Erst der letzte Eingriff im September 2008 brachte für die Klägerin eine Verbesserung ihrer (subjektiven) Beschwerden iSd Kosmetik und der Funktion. In einem solchen Fall der Verschlechterung des Zustands des Patienten durch die Operation geht die in LuRsp hM davon aus, dass der Eingriff eine Körperverletzung iSd § 1325 ABGB darstellt und der Arzt bei fehlender Einwilligung des Patienten auch für die Folgen eines kunstgerechten Eingriffs haftet. Die Frage, ob jede, also auch eine erfolgreich verlaufene Operation als Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten per se rechtswidrig ist, sofern sie nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gerechtfertigt wird, steht hier somit nicht zur Diskussion. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte hafte unabhängig vom Bestehen eines Behandlungsvertrags mit der klagenden Patientin bei deren fehlender Einwilligung deliktisch, entspricht also der hM.

 

Eine wirksame Einwilligung der klagenden Patientin hätte ihre ausreichende Aufklärung über die Bedeutung des vorgesehenen ärztlichen Eingriffs und seine möglichen Folgen vorausgesetzt. Entgegen seiner Auffassung durfte sich der Beklagte nicht auf eine vorangegangene Aufklärung durch den Belegarzt verlassen, musste er sich doch iSd höchstgerichtlichen Rsp darüber vergewissern, ob und inwieweit die Klägerin vor der Operation schon aufgeklärt worden war. Tatsächlich erfolgte die einzige und erste Aufklärung der Klägerin durch den Beklagten persönlich, und zwar zwei Stunden vor der Operation, ohne dass sich der Beklagte dabei nach dem Vorwissen der Klägerin zu Art und Umfang der Operation und deren Risiken erkundigt hatte.

 

Die ärztliche Aufklärung soll den Einwilligenden instandsetzen, die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen. Der Arzt muss den Patienten, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostische oder therapeutische adäquate Verfahren informieren und das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risiken entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat. Die ärztliche Aufklärung hat grundsätzlich so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt, deren Dauer von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

 

Erstmals zwei Stunden vor dem Eingriff wurden der zu diesem Zeitpunkt bereits auf diesen „intern vorbereiteten“, wenn auch noch nicht sedierten Klägerin die konkrete Operationsmethode im Vergleich zu alternativen Behandlungsmethoden sowie bestimmte Risiken des weder als extrem dringlich noch als „minimal invasiv“ zu wertenden Eingriffs dargelegt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, diese Aufklärung sei zu spät erfolgt, ist keine vom OGH zu korrigierende Fehlbeurteilung.