OGH: Haftung des Sachverständigen nach § 1300 ABGB iZm Bonitätsauskunft
Die Kunde darf von der Auskunftgeberin erwarten, dass deren Einschätzung der Bonität auf objektiven Daten und Informationen beruht und die Auftragnehmerin allenfalls unzureichende Kenntnisse offen legt
§§ 1295 ff ABGB, § 1299 ABGB, § 1300 ABGB, § 1304 ABGB
GZ 1 Ob 206/11t, 24.11.2011
OGH: Keine der Parteien zieht im Revisionsverfahren in Zweifel, dass die beklagte Partei die Bonitätsauskunft als Sachverständige (§ 1299 Satz 1 ABGB) nicht bloß aus Gefälligkeit erteilte und ihre Haftung nach § 1300 Satz 1 ABGB zu beurteilen ist. Schon die in der, entgeltlich erteilten, Bonitätsauskunft ausgesprochene ausdrückliche Empfehlung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen macht deutlich, dass die Absicht der klagenden Partei, je nach Ergebnis der Auskunft geschäftliche Dispositionen zu treffen, für die beklagte Partei erkennbar war. Zwischen den Streitteilen ist ein Auskunftsvertrag zustande gekommen, dessen Hauptpflicht auf Seiten der beklagten Partei in der Erteilung der Auskunft bestand.
Die Auskunft bzw der Rat waren insoweit objektiv unrichtig, als trotz Nichtzahlung offener Forderungen durch die KG und anhängiger (Exekutions-)Verfahren die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung ausdrücklich empfohlen, das Risiko als gering eingestuft und Zahlungen des Unternehmens in der Nettofrist angegeben wurden.
Diese Tatsache einer Fehleinschätzung der Situation gesteht die beklagte Partei in der Revisionsbeantwortung an sich zu, sie bestreitet aber nach wie vor ihr Verschulden. Dabei verweist sie auf die in der Auskunft enthaltenen Formulierungen zum Fehlen eines näheren Einblicks in die finanzielle Situation und zur Beschränkung des „K*****-Einzelhöchstkredits“ mit 5.000 EUR. Eine Aufklärung über die Unmöglichkeit, das „Exekutionsregister“ einzusehen und sonstige Informationen über anhängige Verfahren zu erhalten, könne nicht erwartet werden, zumal es sich um gesetzwidrige Erhebungen handle.
Das Verschulden der beklagten Partei als Sachverständige iSd § 1299 ABGB bestimmt sich nach objektiven Kriterien; maßgeblich sind die typischen und objektiv bestimmten Fähigkeiten von Fachleuten, die mit der Erteilung derartiger Bonitätsauskünfte befasst sind. Die klagende Partei durfte von der Auskunftgeberin erwarten, dass deren grundsätzlich positive Einschätzung der Bonität auf objektiven Daten und Informationen beruhte und die Auftragnehmerin allenfalls unzureichende Kenntnisse offen gelegt hätte.
Dieser Offenlegungspflicht werden die gegen Ende der Auskunft enthaltenen Hinweise (kein näherer Einblick in die finanzielle Situation etc), deren Bedeutung die beklagte Partei in der Revisionsbeantwortung besonders hervorhebt, nicht ausreichend gerecht, wurde doch eingangs die Aufnahme der Geschäftsverbindung ausdrücklich empfohlen. Es kann von einem Kunden, der ein auf die Erteilung derartiger Auskünfte wohl spezialisiertes Unternehmen damit beauftragt, die Bonität eines potentiellen Vertragspartners zu prüfen, nicht verlangt werden, sich Gedanken zu machen, in welcher gesetzlich zulässigen Weise ihr Auftragnehmer die Informationen sammelt, auf deren Basis die Bonitätsauskunft erstellt wird. In diesem Zusammenhang ist insbesondere anzumerken, dass es nur etwa drei Monate nach Einholung der Bonitätsauskunft einer anderen Teilorganisation der K*****-Unternehmensgruppe (einer Schwestergesellschaft der beklagten Partei) möglich war, die Tatsache anhängiger Exekutions- und sonstiger Zivilverfahren in Erfahrung zu bringen. Diese Aufspaltung in unterschiedliche Aufgabenbereiche „innerhalb des K*****“ war der klagenden Partei nach den Feststellungen nicht bekannt. Was die objektive Grundlage für die Einschätzung des Risikos als gering betrifft, so beruhte diese Einstufung nach dem eigenen Vorbringen der beklagten Partei in erster Instanz auf einem Gespräch mit einem Gesellschafter (offenbar: der KG). Dass die Auskunft eines Gesellschafters jenes Unternehmens, dessen Bonität untersucht wird, von einer subjektiven Sichtweise geprägt sein kann, liegt auf der Hand.
Zu Recht wirft die klagende Partei also ihrer Vertragspartnerin vor, trotz der selbst eingestandenen fehlenden Möglichkeit der Einsicht in die finanzielle Situation ausdrücklich die Aufnahme von Geschäftsverbindungen empfohlen und damit die Entscheidung der klagenden Partei maßgeblich beeinflusst zu haben. Das Verschulden der beklagten Partei ist somit entgegen der Auffassung der Vorinstanzen zu bejahen.
Die Widersprüchlichkeit der Bonitätsauskunft, mit der die klagende Partei selbst argumentiert, ist jedoch nicht ohne Konsequenz für die Berechtigung ihres Schadenersatzanspruchs. Sie begründet vielmehr ein Mitverschulden der Geschädigten, das nach § 1304 ABGB und nicht nach § 1299 Satz 3 ABGB zu beurteilen ist. Diese Regelung betrifft den (hier nicht vorliegenden und auch nicht behaupteten) Fall einer (zumutbaren) bei Geschäftsabschluss gegebenen Kenntnis des Auftraggebers von den fehlenden Fähigkeiten des beauftragten Sachverständigen.
Die Bonitätsauskunft beschränkte sich eben nicht auf eine ausdrückliche Empfehlung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen und eine Einschätzung des Bonitätsrisikos als gering. Sie enthielt abschwächende bzw relativierende Formulierungen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit für den Geschäftsführer der klagenden Partei Anlass gewesen wären, an einer apodiktischen (unbedingten) Empfehlung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen bzw Einstufung des Bonitätsrisikos als gering zu zweifeln. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist diese der klagenden Partei anzulastende Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten gleich zu bewerten wie die Verletzung vertraglicher Pflichten durch das beauftragte Unternehmen. Damit ist der ohne Einräumung eines Mitverschuldens eingeklagte Schadenersatzanspruch der klagenden Partei um 50 % zu kürzen.