20.04.2011 Wirtschaftsrecht

VwGH: Zur vertieften Angebotsprüfung im Sektorenbereich (§ 268 BVergG 2006)

Die Vergabekontrollbehörde hat - ebenso wie der Sektorenauftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Sektorenauftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 268 Abs 2 Z 1 bis 2 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind (Plausibilitätsprüfung)


Schlagworte: Vergaberecht, Sektorenbereich, vertiefte Angebotsprüfung, Angemessenheit von Preisen, Plausibilitätsprüfung, Nachprüfung, Vergabekontrollbehörde
Gesetze:

§ 268 BVergG 2006, § 320 BVergG 2006

GZ 2008/04/0082, 25.01.2011

VwGH: Der VwGH hat zur vertieften Angebotsprüfung nach § 125 BVergG 2006 mit Verweis auf seine Vorjudikatur zum BVergG 2002 festgehalten, dass es Aufgabe des Auftraggebers ist, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen. Die Vergabekontrollbehörde hat nicht nur zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist. Sie hat vielmehr - ebenso wie der Auftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 125 Abs 4 Z 1 bis 3 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann.

Die Regelung des § 268 BVergG 2006 über die vertiefte Angebotsprüfung entspricht jener des § 125 BVergG 2006, jedoch wurden vom Gesetzgeber (im Hinblick auf Art 57 der Richtlinie 2004/17/EG) die Vorgaben für Sektorenauftraggeber etwas reduziert. Dennoch kann die oben angeführte Rsp auf die vertiefte Angebotsprüfung im Sektorenbereich (§ 268 BVergG 2006) übertragen werden: Die Vergabekontrollbehörde hat danach - ebenso wie der Sektorenauftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Sektorenauftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 268 Abs 2 Z 1 bis 2 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind (Plausibilitätsprüfung).

Fallbezogen ist daher die belangte Behörde zunächst im Recht, dass die Angemessenheit der Preise in Bezug auf die "ausgeschriebenen" Leistungen (hier nach § 268 Abs 1 BVergG 2006) geprüft werden muss.

Die Nichtigerklärung der Zuschlagserteilung der Auftraggeberin vom 7. Dezember 2007 stützt die belangte Behörde aber zusammenfassend auf die Auffassung, dass ausgehend von der Musterkalkulation der Auftraggeberin eine richtige und nachvollziehbare Prüfung des Angebotes der Zuschlagsempfängerin auf Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften nicht vorliege. Damit verkennt die belangte Behörde aber, dass es nach der oben dargestellten Rechtslage ihre Aufgabe als Vergabekontrollbehörde gewesen wäre, selbst eine entsprechende Plausibilitätsprüfung vorzunehmen und diese nicht im Wege einer "Kassation" dem Auftraggeber zu übertragen. Nur wenn die Vergabekontrollbehörde selbst im Wege einer Plausibilitätsprüfung zum Ergebnis gelangt, dass die Preisgestaltung betriebswirtschaftlich nicht erklärbar und nachvollziehbar ist, liegt insoweit eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Zuschlagsentscheidung vor.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die belangte Behörde eine entsprechende Plausibilitätsprüfung vorgenommen hat, entzieht sich die von der Behörde im Hinblick auf die von ihr angenommenen Prozentsätze der direkten Lohnnebenkosten (16,33 %) und der umgelegten Lohnnebenkosten (55,90 %) angestellten Überlegungen mangels näherer Begründung einer nachprüfenden Kontrolle durch den VwGH.

Auch die Behauptung, ein Unternehmer könne, um überhaupt in den Markt einzudringen, auch eine Unterdeckung für seine angebotenen Leistungen kalkulieren, jedoch könne eine derartige Unterdeckung jedenfalls nur in einem geringfügigen Prozentsatz angesetzt sein, entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung im Hinblick auf den entscheidenden Maßstab der betriebswirtschaftlichen Erklär- und Nachvollziehbarkeit.

Das BVergG 2006 konkretisiert nämlich nicht, was unter einem angemessenen Preis zu verstehen ist. In einer freien Marktwirtschaft bildet sich der Preis im Wettbewerb, exakte Werte sind nicht festlegbar. Vielmehr ist dessen betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit aus sachverständiger Sicht zu ermitteln. Gegenständlich wäre es daher Aufgabe der belangten Behörde (als Vergabekontrollbehörde) gewesen, auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens jene Argumente nachzuprüfen, die von der Auftraggeberin für bzw von der mitbeteiligten Partei (als Nachprüfungswerberin) gegen die Plausibilität des Preises der Zuschlagsempfängerin ins Treffen geführt wurden.