17.03.2020 Zivilrecht

OGH: §§ 1301, 1302 ABGB – Haftung mehrerer Teilnehmer (hier: Verletzung als Unbeteiligter im Zuge von gewalttätigen nächtlichen Auseinandersetzungen zweier rivalisierender Tätergruppen)

Gemeinschaftlichkeit iSd § 1301 ABGB kann auch dann vorliegen, wenn zwischen den Tätern zwar kein Einvernehmen über die Schädigung gegeben ist, wohl aber über die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens, bei dessen Verwirklichung eine nicht beabsichtigte Schädigung erfolgt; nur in den Fällen, in denen sich die mangelnde Kausalität des Verhaltens des in Anspruch genommenen „Mittäters“ ausdrücklich nachweisen lässt, wird die Haftung nach §§ 1301, 1302 ABGB ausgeschlossen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Haftung mehrerer Teilnehmer, Solidarhaftung, Gemeinschaftlichkeit, Raufhandel, Unbeteiligter
Gesetze:

 

§ 1301 ABGB, § 1302 ABGB, §§ 1295 ff ABGB

 

GZ 8 Ob 112/19g, 24.01.2020

 

OGH: Mehrere Täter haften nach § 1301 ABGB für einen widerrechtlich zugefügten Schaden gemeinsam, „indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen udgl oder auch nur durch Unterlassen der besonderen Verbindlichkeit das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben“.

 

Nach § 1302 ABGB verantwortet jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden, wenn die Beschädigung in einem Versehen gegründet ist und die Anteile sich bestimmen lassen. Wenn aber der Schaden vorsätzlich zugefügt worden ist oder wenn die Anteile der Einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen, so haften alle für einen und einer für alle.

 

Diese Bestimmungen regeln die Haftung von Mittätern und diesen gleichzustellenden Teilnehmern (Anstiftern, Beihelfern etc) sowie Nebentätern. Während Nebentäter voneinander unabhängig handeln, agieren Mittäter gemeinschaftlich und vorsätzlich. Mittäter haften unabhängig davon, ob sich die von ihnen verursachten Anteile bestimmen lassen oder nicht, solidarisch.

 

Die Solidarhaftung nach § 1302 ABGB tritt bei vorsätzlicher Mittäterschaft auch unabhängig davon ein, ob sich die Anteile an der Schädigung bestimmen lassen.

 

Die Solidarhaftung ist nach der Rsp auch schon dann gerechtfertigt, wenn zwar kein gemeinschaftlicher Schädigungsvorsatz bestand, zwischen den mehreren Personen aber Einvernehmen über die Begehung einer rechtswidrigen Handlung herrschte und diese Handlung für den eingetretenen Schaden konkret gefährlich war. Der Vorsatz iSd § 1302 Satz 2 ABGB braucht sich nicht auf den vollen Schadenserfolg zu erstrecken, sondern muss nur auf eine Rechtsverletzung oder Schädigung gerichtet sein, um die Haftung auch für weitere, daraus entspringende Schäden zu begründen. Der Vorwurf, vorsätzlich gemeinsam ein unerlaubtes Ziel verfolgt zu haben, rechtfertigt es, alle Beteiligten zunächst ohne weitere Prüfung ihrer Kausalität für den entstandenen Schaden verantwortlich zu machen.

 

Gemeinschaftlichkeit iSd § 1301 ABGB kann also auch dann vorliegen, wenn zwischen den Tätern zwar kein Einvernehmen über die Schädigung gegeben ist, wohl aber über die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens, bei dessen Verwirklichung eine nicht beabsichtigte Schädigung erfolgt.

 

Nur in den Fällen, in denen sich die mangelnde Kausalität des Verhaltens des in Anspruch genommenen „Mittäters“ ausdrücklich nachweisen lässt, wird die Haftung nach §§ 1301, 1302 ABGB ausgeschlossen.

 

In diesem Sinn wäre es aber für den Dritt- bis Fünftbeklagten bereits haftungsbegründend, wenn sie zu der mit Holzlatten und einem Schistock bewaffneten Gruppe gehört haben, die ihre Rivalen mit dem offenkundigen Ziel eines weiteren Raufhandels zum Bahnhof verfolgt hat. Ob dies bei einem oder mehreren von ihnen der Fall war, ist aus den Feststellungen des Erstgerichts nicht eindeutig zu entnehmen. Allein der Umstand, dass ihre Anwesenheit vor dem Lokal „A*****“ nicht festgestellt werden konnte, genügt nicht, um die Frage der Haftung der Dritt- bis Fünftbeklagten abschließend beurteilen zu können.