08.02.2021 Verkehrsrecht

VwGH: Zur Vorrangverletzung nach § 19 Abs 7 StVO

Eine Verletzung des im § 19 Abs 7 StVO ausgesprochenen Verbotes setzt voraus, dass sich die beteiligten Fahrzeuge im Zeitpunkt der Einleitung des unvermittelten Bremsmanövers (bzw des Ablenkens des Fahrzeuges) durch den Vorrangberechtigten bereits in einer solchen - geringen - Entfernung voneinander befinden, dass das Bremsen bzw Ablenken des Fahrzeuges zur Vermeidung eines Unfalles erforderlich ist


Schlagworte: Straßenverkehrsrecht, Vorrangverletzung, Nötigung zum unvermittelten Bremsen / Ablenken des Fahrzeugs
Gesetze:

 

§ 19 StVO, § 99 StVO

 

GZ Ra 2019/02/0162, 15.12.2020

 

VwGH: Gem § 19 Abs 7 StVO darf derjenige, der keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

 

Das VwG geht zunächst zutreffend davon aus, dass das Erfordernis des „unvermittelten Bremsens oder Ablenkens“ objektiv zu verstehen ist, dh, dass der Tatbestand auch dann gegeben sein kann, wenn der Vorrangberechtigte obwohl er, objektiv gesehen, unvermittelt bremsen oder ablenken müsste, in Wirklichkeit aber weder das eine noch das andere getan hat, weshalb es ja idR zum Unfall gekommen sein wird. Dabei ist es ohne rechtliche Bedeutung, ob der Vorrangberechtigte bei leichter Betriebsbremsung sein Fahrzeug hätte anhalten können und ob er sich ebenfalls rechtswidrig (etwa durch Einhalten einer überhöhten Geschwindigkeit) verhalten hat.

 

Der Revisionswerber brachte jedoch auch vor, die Unfallgegnerin hätte ihre Geschwindigkeit nur leicht herabsetzen müssen, um eine Kollision zu verhindern, oder sie habe vielleicht sogar die Geschwindigkeit erhöht.

 

Es wäre denkbar, dass der Vorrangberechtigte den Verkehrsunfall durch Bremsen oder Ablenken in einer ihm zumutbaren Weise hätte verhindern können, jedoch auf Grund eines Reaktionsfehlers tatsächlich nicht verhindert hat. Allein die Tatsache, dass es zu einem Verkehrsunfall kam, schließt gedanklich nicht mit ein, dass der Vorrangberechtigte zu einem unvermittelten Bremsen oder Ablenken seines Fahrzeuges genötigt wurde und sohin sein Vorrang verletzt wurde. Nach der Rsp des OGH kann von einem Verstoß des Wartepflichtigen gegen § 19 Abs 7 StVO nicht gesprochen werden, wenn der Vorrangberechtigte durch das in die Vorrangstraße einfahrende Fahrzeug während der ganzen Phase des Einbiegens lediglich zu einer durch bloßes Wegnehmen vom Gas zu erreichenden Mäßigung seiner Geschwindigkeit verhalten wird.

 

Eine Verletzung des im § 19 Abs 7 StVO ausgesprochenen Verbotes setzt voraus, dass sich die beteiligten Fahrzeuge im Zeitpunkt der Einleitung des unvermittelten Bremsmanövers (bzw des Ablenkens des Fahrzeuges) durch den Vorrangberechtigten bereits in einer solchen - geringen - Entfernung voneinander befinden, dass das Bremsen bzw Ablenken des Fahrzeuges zur Vermeidung eines Unfalles erforderlich ist.

 

Zur Prüfung des oben genannten Vorbringens des Revisionswerbers wäre es erforderlich gewesen, die Geschwindigkeiten und Entfernungen der beteiligten Fahrzeuge zu dem Zeitpunkt festzustellen, als die Vorrangberechtigte auf das Einfahren des Revisionswerbers durch bloßes Wegnehmen vom Gas hätte reagieren müssen.