10.06.2010 Zivilrecht

OGH: Frustrierte Aufwendungen - zur Frage der Ersatzfähigkeit von Stornokosten für eine bereits gebuchte, jedoch aufgrund einer Körperverletzung nicht angetretenen Reise

Die Zahlung der Reisekosten bzw das Eingehen einer diesbezüglichen Verbindlichkeit, dienten (auch) dem Erwerb eines vermögenswerten Guts; sie fallen nicht unter die allgemeinen - zeitweilig leer laufenden - Lebenshaltungskosten, sondern sind als Aufwand für die zeitlich konkrete einmalige Nutzung der erworbenen Rechtsposition anzusehen; der Verlust ihrer Fähigkeit, den vertraglichen Anspruch auszunutzen, ist wirtschaftlich der Vernichtung des Anspruchs gleichzuhalten und begründet daher bei lebensnaher Betrachtung einen ersatzfähigen Vermögensnachteil; ist die Ersatzpflicht des Schädigers für die frustrierten Reisekosten zu bejahen, so gilt dies auch für die als Aufwendung zur Schadensminderung anzusehende Stornogebühr


Schlagworte: Schadenersatzrecht, frustrierte Aufwendungen, Stornokosten für Reise, Vermögensschaden
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB

GZ 2 Ob 113/09w, 17.02.2010

OGH: Als "frustrierte Aufwendungen" werden im Allgemeinen Aufwendungen bezeichnet, die durch das Schadensereignis zwar nicht selbst verursacht wurden, durch dieses aber nutzlos geworden sind. Die bisherige Rsp des OGH zur Ersatzfähigkeit frustrierter Aufwendungen im deliktischen Schadenersatzrecht ist restriktiv:

Bei Sachschäden wird sie nur für den Fall bejaht, dass die Aufwendungen für den beschädigten Gegenstand selbst gemacht wurden, um ihn später wieder gebrauchen zu können. In diesem Sinne wurden etwa dem Halter eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Kfz die während der Reparaturzeit weiterlaufenden "Generalunkosten", wie Steuer, Haftpflichtversicherung etc zuerkannt. In einer jüngeren Entscheidung wurde die Abgeltung (sonstiger) "weiterlaufender Aufwendungen" abgelehnt (2 Ob 75/07b).

Im Zusammenhang mit Personenschäden hat der OGH den Ersatz nutzlos gewordener Aufwendungen bisher stets abgelehnt. In der eingehend begründeten Entscheidung 8 Ob 27/87 vertrat der OGH dazu die Ansicht, in Wahrheit stelle der Ersatz der nutzlos gewordenen Aufwendungen einen Ausgleich für die Beeinträchtigung ideeller Interessen, nämlich des Entgangs des Gebrauchs des gemieteten Campingbusses, dar. Ein Ersatz frustrierter Aufwendungen müsse auf bestimmte, eng umgrenzte Fälle eingeschränkt werden, um nicht die Wertungen des Gesetzes, nach denen ideelle Schäden nur in geringerem Maße zu ersetzen seien, als Vermögensschäden, zu hintergehen und zu einer untragbaren Ausweitung des Ersatzes zu gelangen. So würde es etwa zu einer untragbaren Ausuferung der Schadenersatzpflicht führen, wenn bei Verletzung einer Person dieser alle frustrierten Aufwendungen zu ersetzen wären. Der Schädiger hätte dann etwa auch für die auf diesen Zeitraum entfallenden Aufwendungen für Gebrauchsgegenstände, für ein Wochenendhaus, für die Konzert- und Theaterabonnements usw des Verletzten zu haften. Seien aber die Aufwendungen für die Miete des Campingfahrzeugs als ideeller Schaden nicht zu ersetzen, müsse dasselbe für die Stornogebühr gelten, die zur Vermeidung weiterer nutzloser Aufwendungen entrichtet worden sei.

Der Ersatzanspruch der Klägerin für die von ihr aufgewendete Stornogebühr ist nach Auffassung des erkennenden Senats aus den folgenden Gründen zu bejahen:

Die Klägerin hatte vor dem Unfall durch den Abschluss des Reisevertrags mit dem Reiseveranstalter diesem gegenüber den Anspruch auf Vertragserfüllung erlangt. Dabei handelt es sich um eine vermögenswerte, übertragbare und verwertbare Rechtsposition (vgl auch § 31c Abs 3 KSchG). Die Aufwendungen der Klägerin, nämlich die Zahlung der Reisekosten bzw das Eingehen einer diesbezüglichen Verbindlichkeit, dienten demnach (auch) dem Erwerb eines vermögenswerten Guts. Sie fallen nicht unter die allgemeinen - zeitweilig leer laufenden - Lebenshaltungskosten, sondern sind als Aufwand für die zeitlich konkrete einmalige Nutzung der erworbenen Rechtsposition anzusehen. Infolge ihrer unfallbedingten Verletzung wurde die Klägerin daran gehindert, von ihrem Anspruch gegenüber dem Reiseveranstalter Gebrauch zu machen. Der Verlust ihrer Fähigkeit, den vertraglichen Anspruch auszunutzen, ist aber wirtschaftlich der Vernichtung des Anspruchs gleichzuhalten und begründet daher bei lebensnaher Betrachtung einen ersatzfähigen Vermögensnachteil.

Dieses Ergebnis stimmt auch mit jenen Meinungen überein, nach denen etwa der durch einen Unfall am Besuch einer bestimmten Veranstaltung Gehinderte den Eintritt zu der Veranstaltung beanspruchen kann. Ist demnach aber - abweichend von 8 Ob 27/87 - die Ersatzpflicht des Schädigers für die frustrierten Reisekosten zu bejahen, so gilt dies auch für die unter den dargelegten Umständen als Aufwendung zur Schadensminderung anzusehende Stornogebühr.