03.01.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Ausgleichszulage gem § 149 GSVG (bzw § 292 ASVG) – (rechtmäßiger) gewöhnlicher Aufenthalt im Inland iZm sechs Monate übersteigenden Auslandsaufenthalt

Ein kontinuierlicher Inlandsaufenthalt und der Anspruch auf Ausgleichszulage wird idR dann verneint, wenn sich der Pensionsberechtigte mehr als die Hälfte des Jahres im Ausland aufhält; einige wenige Monate Inlandsaufenthalt im betreffenden Kalenderjahr reichen für die Qualifikation als „gewöhnlicher Aufenthalt“ nicht aus, je häufiger dieser von Auslandsaufenthalten unterbrochen wird und je länger die Auslandsaufenthalte andauern


Schlagworte: Allgemeines / Gewerbliches Sozialversicherungsrecht, Pensionsversicherung, Ausgleichszulage, gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, sechs Monate übersteigender Auslandsaufenthalt
Gesetze:

§ 292 ASVG, § 149 GSVG

GZ 10 ObS 34/11i, 03.05.2011

 

OGH: Gem § 149 Abs 1 GSVG hat der Pensionsberechtigte unter den sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf Ausgleichszulage, solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ iSd § 66 Abs 2 JN zu verstehen. Nach § 66 Abs 2 JN ist bei der Beurteilung, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, dessen Dauer und Beständigkeit maßgeblich, weiters sind andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Wie lange bzw ab wann nicht mehr von einem „gewöhnlichen Aufenthalt“ gesprochen werden kann, ist allein aus der Definition des § 66 Abs 2 JN nicht zu beantworten. Nach der Rsp kommt es dabei darauf an, ob jemand einen Ort zum Mittelpunkt seines Lebens, seiner wirtschaftlichen Existenz und seiner sozialen Beziehung macht. Nur vorübergehende oder kurzfristige Auslandsaufenthalte können den Anspruch daher nicht beeinträchtigen, doch muss der Ausnahmecharakter des Aufenthalts im Ausland stets gewahrt werden. Seine oberste Begrenzung wird ein Auslandsaufenthalt jedenfalls dann finden müssen, wenn er eine Dauer erreicht hat, die geeignet ist, einen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland zu begründen. Im Allgemeinen ist nach einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten anzunehmen, dass ein „gewöhnlicher Aufenthalt" vorliegt. Der Aufenthalt wird ausschließlich durch die physische Anwesenheit bestimmt, nicht aber durch ein Willenselement („Verbleibeabsicht“).

 

Schon aus dem Wortlaut des § 149 Abs 1 GSVG (siehe auch der gleichlautende § 292 Abs 1 ASVG) ist ableitbar, dass im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Ausgleichszulage bei der Beurteilung, ob ein gewöhnlicher Aufenthaltsort iSd § 66 Abs 2 JN gegeben ist, auf jenen Zeitraum abzustellen ist, für den die Ausgleichszulage gewährt werden soll (der Anspruch besteht „solange“ der Pensionsberechtigte seinen [nunmehr auch „rechtmäßigen“], gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat). Zu prüfen ist, ob an dem in diesem Zeitraum gegebenen Aufenthaltsort der Mittelpunkt der Lebensführung des Pensionsberechtigten liegt. Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt bzw ob die dauerhafte Beziehung eines Menschen zu seinem Aufenthaltsort unterbrochen wird, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

 

Entsprechend diesen allgemeinen Grundsätzen wurde in der Entscheidung 10 ObS 83/04k ein kontinuierlicher Inlandsaufenthalt und der Anspruch auf Ausgleichszulage verneint, wenn sich der Pensionsberechtigte mehr als die Hälfte des Jahres im Ausland aufhält, selbst wenn er während der Zeit seines Auslandsaufenthalts daneben auch Beziehungen zu Österreich unterhalten haben sollte. Da der gewöhnliche Aufenthalt Voraussetzung für weitere Sozialleistungen, wie das Pflegegeld ist (§ 3 Abs 1 erster Satz BPGG), kann auch die zum BPGG ergangene Entscheidung 10 ObS 2207/96 herangezogen werden, nach der (ebenfalls) ein die Hälfte des Jahres übersteigender Auslandsaufenthalt zum Wegfall der Leistungsgewährung führt.

 

Die Ausführungen in den Entscheidungen 10 ObS 197/98p und 10 ObS 28/99m zur Frage des Wiederauflebens des gewöhnlichen Inlandsaufenthalts nach Beendigung eines Auslandsaufenthalts lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

Begibt sich ein Pensionsbezieher etwa für vier Monate ins Ausland, so ist die Unterbrechung zwar - selbst dann, wenn alle Umstände dafür sprechen, dass er wieder nach Österreich zurückkehren werde - zu lange, um einen kontinuierlichen gewöhnlichen Aufenthalt annehmen zu können. Von einem gewöhnlichen Inlandsaufenthalt ist - zumindest im Hinblick auf die Ausgleichszulage - erst wieder zu sprechen, wenn der Pensionsbezieher tatsächlich nach Österreich zurückgekehrt ist und nach den Umständen indiziert ist, dass er seinen Aufenthalt auf Dauer ins Inland verlegt. Ist ein gewöhnlicher Inlandsaufenthalt (wieder) gegeben, geht der Ausgleichszulagenanspruch für den jeweiligen Rest des Kalenderjahres nicht verloren. Bei wechselnden Aufenthalten ist unter diesen Voraussetzungen „ausgleichszulagenrechtlich“ das Jahr in verschiedene Perioden zu teilen. Andererseits reichen einige wenige Monate Inlandsaufenthalt im betreffenden Kalenderjahr dann nicht für die Qualifikation als „gewöhnlicher Aufenthalt“ aus, je häufiger dieser von Auslandsaufenthalten unterbrochen wird und je länger die Auslandsaufenthalte andauern. Das Wiederaufleben eines gewöhnlichen Inlandsaufenthalts wurde etwa verneint, wenn dieser jeweils nur ein bis drei Monate im betreffenden Jahr umfasst und sich der Versicherte die übrige Zeit (somit neun bis elf Monate) ausschließlich im Ausland aufhält. Die entsprechenden Umstände müssten im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.

 

Nach der Rückkehr der Klägerin aus Argentinien am 26. 12. 2009 ging die Beklagte offensichtlich davon aus, dass der Verbleib in Österreich indiziert sei, erkannte sie ihr doch ab diesem Tag die Ausgleichszulage wiederum zu. Die (streitgegenständlichen) Österreichaufenthalte im Jahr 2008 und 2009 hat die Klägerin jedoch nach zweieinhalb bzw drei Monaten abgebrochen und ist jeweils wieder zu ihren in Argentinien lebenden Kindern zurückgekehrt. Hat das Berufungsgericht im Hinblick auf diese Gegebenheiten seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, dass die Neubegründung bzw das Wiederaufleben eines gewöhnlichen Inlandsaufenthalts von März bis Mai 2008 und von Mai bis Juli 2009 zu verneinen ist, steht dies mit den dargelegten Grundsätzen der Rsp im Einklang. Dass die Klägerin ihre Wohnung in Wien beibehalten hat und hier über Sozialkontakte verfügt, kann diese Beurteilung nicht ändern.