06.03.2008 Verfahrensrecht

OGH: Zur Auslegung von Prozesserklärungen

Für die Beurteilung des Inhaltes einer Prozesserklärung kommt es ausschließlich darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozesszweckes und der dem Gericht und dem Prozessgegner bekannten Prozesslage und Aktenlage objektiv verstanden werden muss; der tatsächliche Wille der Partei ist nicht maßgebend


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, Auslegung von Prozesserklärungen, bedingte Prozesshandlungen
Gesetze:

§ 226 ZPO

GZ 10 Ob 101/07m, 27.11.2007

Der Beklagte erklärte "sich für den Fall der Zulassung der Klagsänderung dem Klagebegehren zu unterwerfen". Die Erklärung des Beklagten könne nach Auffassung des Rechtsmittelgerichts nur dahin verstanden werden, dass er für den Fall der Zulassung der Klagsänderung das geänderte Klagebegehren anerkenne. Der Beklagte vertritt demgegenüber den Standpunkt, seine Prozesserklärung hätte dahin verstanden werden müssen, dass er sich erst für den Fall des Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung über die von ihr bestrittene Zulässigkeit der begehrten Klagsänderung dem geänderten Klagebegehren unterworfen habe.

OGH: Für die Beurteilung des Inhaltes einer Prozesserklärung kommt es nicht auf den tatsächlichen (inneren) Willen der Partei, sondern ausschließlich darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozesszweckes und der dem Gericht und dem Prozessgegner bekannten Prozesslage und Aktenlage objektiv verstanden werden muss.

Bei der Auslegung von Parteiprozesshandlungen nach deren objektivem Erklärungsgehalt ist jener Variante der Vorzug zu geben, die es erlaubt, eine prozessuale Willenserklärung als wirksame Prozesshandlung anzusehen.

Bedingte Prozesshandlungen sind nur sehr eingeschränkt und nur dort zulässig, wo der Ablauf des Verfahrens bereits durch unbedingte Prozesshandlungen sichergestellt ist. Innerprozessuale Bedingungen sind daher dann zulässig, wenn bereits der Verfahrensabschnitt, für den die Prozesshandlung wirken soll, eingeleitet ist und diese Bedingung an in diesem Verfahrensabschnitt eintretende innerprozessuale Tatsachen oder Vorgänge geknüpft ist. Die Zulässigkeit einer bedingten Prozesshandlung wird daher nur dann bejaht, wenn die Bedingung in einem solchen "innerprozessualen" Umstand oder Vorgang besteht und ihre Beachtung nicht dazu angetan ist, die Vorhersehbarkeit des weiteren Prozessablaufes für das Gericht oder den Prozessgegner in unerträglicher Weise zu beeinträchtigen; letzteres ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Bedingung eine richterliche Entscheidung bestimmten Inhaltes ist.