05.06.2008 Verfahrensrecht

OGH: Keine Interessensabwägung bei der Verwertung eines Transkripts eines heimlich aufgenommenen Gesprächs

Da bei Transkripten von Tonaufnahmen kein Verstoß gegen eine Verhaltensnorm vorliegt, ist für die Frage deren verfahrensrechtlicher Verwertbarkeit keine Interessenabwägung vorzunehmen


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, Beweisrecht, rechtswidrig erlangtes Beweismittel, Transkript, Interessensabwägung
Gesetze:

§ 266 ZPO, § 304 ZPO

GZ 1 Ob 172/07m, 29.01.2008

Die beklagte Partei legte in der Tagsatzung Protokolle über Telefongespräche zwischen zweier Zeugen vor sowie zwei CDs mit den aufgenommenen Gesprächen. Die klagende Partei beantragte, die vorgelegten Beweismittel "im Verfahren nicht zu verwenden", weil die Zeugen der Aufzeichnung der Gespräche nie zugestimmt haben.

OGH: Der in seinem Recht auf das eigene Wort Verletzte hat nach der Rechtsprechung des OGH grundsätzlich einen Anspruch auf Unterlassung der Verwertung rechtswidrig erlangter Tonaufzeichnungen. Benötige eine Partei derartige Beweismittel unbedingt in einem Verfahren infolge Beweisnotstands, ist eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. Für die Annahme eines rechtfertigenden Beweisnotstands reicht nicht schon das allgemeine Interesse jeder Partei, über ein besonders beweiskräftiges Beweismittel zu verfügen. Dem Beweisführer obliegt der Beweis, dass er die Tonaufzeichnung bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötige und dass der von ihm verfolgte Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertig sind als die bei der Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners.

Für den hier alleine zu beurteilenden Fall der Verwertung eines Transkripts eines heimlich aufgenommenen Gesprächs ist festzuhalten, dass dessen Verwendung nicht von § 120 StGB erfasst und daher insofern Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen eine Verhaltensnorm nicht anzunehmen ist. Das StGB differenziert beim strafrechtlichen Schutz zwischen der Tonaufnahme selbst und einem davon hergestellten Transkript. Bei der Verwertbarkeit schriftlicher Aufzeichnungen über ein Gespräch ist überdies zu bedenken, dass der Sprecher - selbst wenn die Vollständigkeit der Aufzeichnung unbestritten ist - die Möglichkeit hat, über den Gesprächsverlauf auszusagen und allfällige Hintergründe oder der schriftlichen Fassung nicht zu entnehmende Akzentuierungen hervorheben kann.

Bei einem Transkript handelt es sich um eine schriftliche Aufzeichnung, die verfahrensrechtlich nach den Regeln des Urkundenbeweises zu behandeln ist. Dieses Beweismittel unterliegt daher den verfahrensrechtlichen Bestimmungen über den Beweis durch Urkunden. Transkripte sind mit der Tonbandaufzeichnung selbst nicht gleichzusetzen, weil sie jedenfalls nicht die Authentizität der "Gesprächskonserve" beanspruchen können, ergibt sich doch aus der Urkunde allein nicht schon die Vollständigkeit der Übertragung.

Bei Transkripten solcher Tonaufnahmen ist für deren prozessuale Verwertbarkeit im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Qualifikation als Urkunden, aber auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Rechtswidrigkeit im Sinne eines Verstoßes gegen eine Verhaltensnorm (zB § 120 StGB) nicht vorliegt, keine Interessenabwägung vorzunehmen.