17.07.2008 Verfahrensrecht

OGH: Stalking - Einstweilige Verfügung gem § 382g EO

Um ein Ausweichen des "Stalkers" auf andere, bisher noch nicht konkret eingesetzte Methoden, das Opfer zu "terrorisieren", zu verhindern, kann im Einzelfall ein Verbot bisher noch nicht verwendeter, aber naheliegender Mittel zur Kontaktaufnahme durchaus zulässig sein


Schlagworte: Exekutionsrecht, einstweilige Verfügung, Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre, Stalking
Gesetze:

§ 382g EO

GZ 2 Ob 82/08k, 28.04.2008

Die nach § 382g EO erlassene (vom Rekursgericht insoweit bestätigte) einstweilige Verfügung verbot dem Antragsgegner die persönliche Kontaktaufnahme und Verfolgung der Antragstellerin, die briefliche, telefonische oder sonstige Kontaktaufnahme, den Aufenthalt auf der Liegenschaft der Antragstellerin und beim Wochenendhaus ihres Sohnes sowie einen Dritten zur Aufnahme von Kontakten mit der Antragstellerin zu veranlassen.

OGH: Am 1. 7. 2006 trat das Strafrechtsänderungsgesetz 2006 in Kraft, das nicht nur mit § 107a StGB einen neuen Straftatbestand der "beharrlichen Verfolgung" schuf, sondern mit § 382g EO neue Regelungen über einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre brachte. Der OGH hat in der ausführlich begründeten Entscheidung 8 Ob 155/06m erstmals zu § 382g EO Stellung genommen. In Übereinstimmung mit der Lehre hat er Folgendes klargestellt:Bereits vor Inkrafttreten des § 382g EO war der zivilrechtliche Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre durch § 16 ABGB bzw durch die mit BGBl I Nr 91/2003 eingefügte Bestimmung des § 1328a ABGB gewährleistet, weshalb die neuen Regelungen über einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre keine neue Anspruchsgrundlage schaffen. Die Bescheinigung des Anspruchs auf Unterlassung weiterer "Stalking"-Handlungen erfüllt gleichzeitig auch die Anforderungen des § 381 Z 2 EO, weil bei Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten, die einen Unterlassungsanspruch begründen, eine einstweilige Verfügung durchwegs zur Abwehr eines drohenden Schadens iSd § 381 Z 2 EO notwendig sein wird. § 382g Abs 1 EO zählt - in Ergänzung des § 382 EO - typische Sicherungsmittel auf, die für diese einstweiligen Verfügungen in Betracht kommen. Für die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens reicht schon ein drohender Eingriff aus. Es muss daher nicht jeweils eine konkrete Verletzungshandlung abgewartet werden.

Da § 382g EO somit keine neue Kategorie einer einstweiligen Verfügung schafft, hat der für das Provisorialverfahren entwickelte Grundsatz zu gelten, dass die Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Rekursgericht bei unmittelbarer Beweisaufnahme ausgeschlossen ist.

Zweck der "Anti-Stalking-Regelung" des § 382g EO ist die Verbesserung des Schutzes für Opfer, denen rasche Abhilfe gegen Belästigungen durch "Stalker" geboten werden soll. Mit dieser gesetzgeberischen Absicht ist die im Revisionsrekurs an das Opfer gestellte Forderung, eine konkrete Verfolgungshandlung abzuwarten und dann nur diese Handlung mit einer einstweiligen Verfügung verhindern zu können, nicht vereinbar. Um ein Ausweichen des "Stalkers" auf andere, bisher noch nicht konkret eingesetzte Methoden, das Opfer zu "terrorisieren", zu verhindern, kann im Einzelfall ein Verbot bisher noch nicht verwendeter, aber naheliegender Mittel zur Kontaktaufnahme durchaus zulässig sein. Die Auffassung des Rekursgerichts, die bisher unterbliebene briefliche und telefonische Kontaktaufnahme sowie die noch nicht erfolgte Veranlassung eines Dritten zur Kontaktaufnahme hinderten aufgrund der jahrelangen, intensiven und direkten Verfolgung ein entsprechendes Verbot nicht, ist vertretbar.