OGH: Zur Frage, ob Parteiwechsel bei Zustimmung aller Beteiligten bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Erlaubnis zulässig ist
In Fällen, in denen ein von allen Beteiligten gewollter Parteiwechsel nach deren eigenem Vorbringen - ebenso wie in den vom Gesetz ausdrücklich geregelten Fällen - der Anpassung des Prozessrechtsverhältnisses an die materielle Rechtslage dient, wäre es nicht einzusehen, weshalb die von allen Beteiligten gewünschte Fortsetzung des Verfahrens mit den "richtigen" Parteien unzulässig sein sollte
§ 19 ZPO, § 23 ZPO, § 234 ZPO
GZ 4 Ob 79/08h, 15.12.2008
OGH: Das Gesetz sieht einen gewillkürten, dh mit Zustimmung aller oder zumindest einzelner Parteien erfolgenden Parteiwechsel in den §§ 19 Abs 2, 23 Abs 2 und 234 Satz 2 ZPO vor. Diese Bestimmungen erfassen den Nebenintervenienten, den Auktor und den Erwerber einer streitverfangenen Sache. Aus den ausdrücklichen Regelungen zum gewillkürten Parteiwechsel leitete die ältere Rechtsprechung ab, dass ein solcher Parteiwechsel in anderen Fällen auch bei Zustimmung aller Beteiligten unzulässig sei. Diese Auffassung wird noch immer von der wohl überwiegenden zivilprozessualen Lehre geteilt.
Nach einer anderen Auffassung soll ein gewillkürter Parteiwechsel bei Zustimmung aller Beteiligten auch dann möglich sein, wenn eine - aus Sicht des materiellen Rechts - "falsche" Person geklagt hat oder geklagt wurde. Der OGH ist dieser Ansicht in der Entscheidung 8 Ob 650/91 ausdrücklich gefolgt. Dabei stützte er sich in erster Linie auf Zweckmäßigkeitserwägungen. Es sei nicht einzusehen, wem es nützen solle, dass der einmal begonnene Prozess gegen den Willen aller Beteiligten gegen den "falschen" Beklagten fortgesetzt werde, obwohl der "richtige" Beklagte zum Eintritt in den Prozess bereit gewesen sei und der zunächst "zu Unrecht" Beklagte durch eine "Klagezurückziehungserklärung" des Klägers aus dem Prozess entlassen werde.
Der Senat schließt sich der in 8 Ob 650/91 vertretenen Auffassung insoweit an, als ein von allen Beteiligten gewollter Parteiwechsel nach deren eigenem Vorbringen - ebenso wie in den vom Gesetz ausdrücklich geregelten Fällen - der Anpassung des Prozessrechtsverhältnisses an die materielle Rechtslage dient. In solchen Fällen wäre es tatsächlich nicht einzusehen, weshalb die von allen Beteiligten gewünschte Fortsetzung des Verfahrens mit den "richtigen" Parteien entgegen der Dispositionsmaxime des Zivilprozesses aus rein formalen Gründen unzulässig sein sollte.