02.04.2009 Verfahrensrecht

OGH: EuGVVO - zur Qualifikation einer Entscheidung nach § 34 MedienG

Die Entscheidung nach § 34 MedienG ist zivilrechtlicher Art


Schlagworte: Europäisches Zivilprozessrecht, Anerkennung und Vollstreckung, Begriff "Entscheidung", Zivilsache, Urteilsveröffentlichung
Gesetze:

Art 32 ff EuGVVO, § 34 MedG

GZ 12 Os 135/07f, 15.01.2009

OGH: Die Verordnung 44/2001/EG über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) regelt die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten der EU und knüpft dabei vor allem an die Natur der zu vollstreckenden Entscheidung an. Diese muss zivil- oder handelsrechtlicher Natur sein. Andere gerichtliche Entscheidungen, also insbesondere solche verwaltungs- oder strafrechtlicher Art, werden von ihr nicht erfasst. Die Entscheidung nach § 34 MedienG ist zivilrechtlicher Art. Der EuGH legt den Begriff der "Zivil- und Handelssache", wie er in Art 1 Abs 1 EuGVVO zu finden ist, autonom aus, dh ohne Rücksicht auf das Recht des betroffenen Staates mit ausschließlichem Blick auf die Ziele und den Aufbau der VO selbst sowie auf die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtssysteme ergebenden allgemeinen Grundsätze.

Festhalten lässt sich dabei vorerst, dass der EuGH immer dann den zivilrechtlichen Charakter einer in Rede stehenden Entscheidung verneint, wenn der Staat in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehandelt hat. In Ansehung einer in einem Strafverfahren ergangenen Entscheidung hat der EuGH bisher lediglich ausgesprochen, dass eine Zivilklage auf Ersatz des Schadens, der einem Einzelnen durch eine strafbare Handlung entstanden ist, selbst dann, wenn sie im Zuge des Strafverfahrens abgehandelt wird, eine solche zivilrechtlichen Charakters ist und damit unter die EuGVVO fällt. Trotz mangelnder direkter Anhaltspunkte in der Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Einordnung der in § 34 MedienG normierten Urteilsveröffentlichung lässt sich unter Zugrundelegung obiger Ergebnisse dennoch feststellen, dass es sich dabei nicht um die Geltendmachung hoheitlicher Ansprüche durch eine Behörde handelt, sodass der zivilrechtliche Charakter dieses Instruments unter diesem Blickwinkel nicht ausgeschlossen ist.

Der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung nach § 34 MedienG soll sicherstellen, dass der Medienkonsument mit jenem Veröffentlichungswert, mit dem seinerzeit ein Medieninhaltsdelikt publiziert wurde, davon Kenntnis erhält, dass diese Veröffentlichung aufgrund der Ergebnisse eines gerichtlichen Verfahrens zumindest objektiv strafrechtswidrigen Inhalt hatte und dass sich der Verletzte mit Erfolg dagegen zur Wehr gesetzt hat. Die Urteilsveröffentlichung ist primär eine Maßnahme der publizistischen Wiedergutmachung und dient dem Schutz vor dem Fortwirken des Delikts in der öffentlichen Meinung. Dementsprechend kann auf Urteilsveröffentlichung nur auf Antrag und nicht von Amts wegen erkannt werden und es darf, wenn der Verletzte selbst nicht Antragsteller ist, die Urteilsveröffentlichung gem § 34 Abs 2 MedienG nur mit seiner Zustimmung angeordnet werden. Damit ist sie jedoch ungeachtet ihrer Warn- und Präventionsfunktion als Zivilsache im Sinne der EuGVVO anzusehen.