22.07.2010 Verfahrensrecht

OGH: Revision und privilegierte Anfechtungsmöglichkeit iSd § 502 Abs 5 Z 3 ZPO - zur Frage der Abtretbarkeit von Feststellungsansprüchen zur Geltendmachung durch einen der in § 29 Abs 1 KSchG genannten Verbände

Die Abtretung des bloßen Anspruchs, eine (negative) Feststellungsklage zu erheben, läuft auf die Übertragung eines reinen Prozessführungsrechts hinaus und ist daher nicht wirksam möglich


Schlagworte: Revision, Konsumentenschutzrecht, privilegierte Anfechtungsmöglichkeit, Zession, Feststellungsklage, gewillkürte Prozessstandschaft
Gesetze:

§ 502 Abs 5 Z 3 ZPO, § 29 KSchG, § 1393 ABGB, § 228 ZPO

GZ 8 Ob 123/09k, 19.05.2010

OGH: In Rechtsstreitigkeiten, in denen ein im § 29 KSchG genannter Verband einen ihm zur Geltendmachung abgetretenen Anspruch klageweise geltend macht, kommt die privilegierte Anfechtungsmöglichkeit des § 502 Abs 5 Z 3 ZPO auch dann zum Tragen, wenn Gegenstand der Anfechtung die Frage ist, ob der geltend gemachte Anspruch überhaupt wirksam abgetreten werden konnte. Auf den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts kommt es daher nicht an. Die Zulässigkeit der Revision hängt vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Eine solche liegt hier vor, weil zur Frage der Abtretbarkeit von Feststellungsansprüchen zur Geltendmachung durch einen der in § 29 Abs 1 KSchG genannten Verbände Rsp fehlt.

Der klagende Verband ist gesetzlich befugt, individuelle Ansprüche, die ihm zur Geltendmachung abgetreten werden, klageweise geltend zu machen (§ 502 Abs 5 Z 3 ZPO). Diese Befugnis erfasst jedoch nur solche Ansprüche (unabhängig von ihrer Natur), die abgetreten werden können und deren Wahrnehmung in den Aufgabenbereich der in § 29 KSchG genannten Verbände fällt.

Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte ZVN 2004, BGBl I 2004/128 hat am Umstand, dass die Klagebefugnis der in § 29 KSchG genannten Verbände nur Ansprüche erfasst, die abgetreten werden können, nichts geändert. Sie verfolgte das Ziel, Testverfahren zur Abklärung der materiellrechtlichen Rechtslage im Interesse breiter Bevölkerungskreise im Rahmen von "Musterprozessen" der in § 29 KSchG genannten Verbände zu ermöglichen. Durch die Sonderbestimmung des § 502 Abs 5 Z 3 ZPO sollen Testverfahren nicht nur für Geldforderungen, sondern auch Ansprüche anderer Art ermöglicht werden, sofern sie abtretbar sind.

Gem § 1393 ABGB sind alle veräußerlichen Rechte Gegenstand der Abtretung. Daher sind ganz allgemein obligatorische Rechte abtretbar.

Der Kläger macht einen ihm abgetretenen (negativen) Feststellungsanspruch geltend. Ein derartiger Feststellungsanspruch ist kein aus dem Privatrecht resultierender materieller Anspruch, sondern er hat seine Grundlage ausschließlich im Prozessrecht. Ein materieller Anspruch auf Feststellung oder Anerkennung des Bestehens (oder Nichtbestehens) eines Rechtsverhältnisses besteht nicht. Das materielle Privatrecht gewährt mangels vertraglicher Verpflichtungen an sich keine durchsetzbaren Ansprüche auf Anerkennung von Privatrechtsverhältnissen. Es gewährt aber ebenso wenig einen Privatrechtsanspruch auf gerichtliche Feststellung streitiger Privatrechtsverhältnisse. Es ist vielmehr § 228 ZPO, der nur eine eigene Rechtschutzform eröffnet und für diese die prozessualen Zulässigkeitsbedingungen schafft.

Im Falle der Abtretung eines privatrechtlichen Anspruchs umfasst die dem Zessionar damit verbundene Rechtsposition auch das Recht, die durch § 228 ZPO eröffnete Rechtschutzform zu nützen und eine den abgetretenen Anspruch betreffende Feststellungsklage zu erheben. Die Abtretung des bloßen Anspruchs, eine (negative) Feststellungsklage zu erheben, läuft aber auf die Übertragung eines reinen Prozessführungsrechts, also auf eine Prozessstandschaft, hinaus.

Das österreichische Recht kennt keine gewillkürte Prozessstandschaft. Die bloße Klagebefugnis kann als unverzichtbarer öffentlich-rechtlicher Anspruch nicht von dem ihr zugrunde liegenden materiellen Recht abgetrennt und daher nicht ohne dieses übertragen werden. Hier beruft sich der Kläger aber in unmissverständlicher Weise ausschließlich auf die zum Zweck der Klageführung erfolgte Abtretung des Feststellungsanspruchs. Dass dem Kläger ein wie immer gearteter privatrechtlicher Anspruch abgetreten worden sei, wurde mit keinem Wort behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Der Kläger beruft sich daher inhaltlich auf die Abtretung des bloßen Prozessführungsrechts. Eine solche Abtretung ist aber nicht wirksam möglich.