20.01.2011 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob eine während Unterbrechung des Verfahrens mittels Schriftsatz erfolgte, in der Folge aber mit Beschluss zurückgewiesene Klageänderung die Verjährung unterbricht

Nur prozessual zulässige und wirksame Klageänderungen können zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist führen; damit ist aber auch § 163 Abs 2 ZPO zu beachten


Schlagworte: Unterbrechung der Verjährungsfrist, zurückgewiesene Klageänderung
Gesetze:

§ 235 ZPO, § 163 ZPO, § 1497 ABGB

GZ 3 Ob 137/10h, 11.11.2010

OGH: Klar ist, dass der Kläger auch nach der (rechtskräftig) zugelassenen Klageänderung einen Schadenersatzanspruch geltend macht, der nach § 1489 ABGB in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger verjährt. Die Verjährung wird nach § 1497 ABGB unterbrochen, wenn derjenige, der sich auf Verjährung berufen will, von dem Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Aus § 1497 zweiter Satz ABGB ist abzuleiten, dass erst die rechtskräftige Klagsstattgebung den Unterbrechungsgrund bildet, dann aber auf den Klagszeitpunkt zurückwirkt. Sieht man von Auslandsklagen ab, bewirkt eine später zurückgewiesene Klage beim unzuständigen Gericht nicht die Unterbrechung der Verjährungsfrist. Auch aus der Rsp zu der Verjährung durch eine nicht formgerechte Klage und nachfolgende Verbesserung ergibt sich, dass - auch unter dem Aspekt der gehörigen Fortsetzung - nur eine formgerechte Klage (falls sie zu einer stattgebenden Entscheidung führt) die Verjährung unterbrechen kann. Mit der Entscheidung des verstärkten Senats zu 7 Ob 707, 708/88, wonach bei Klagsausdehnung mittels Schriftsatzes nach Streitanhängigkeit dessen Einlangen bei Gericht die Verjährung unterbricht und in welcher der OGH den materiellrechtlichen Charakter der Unterbrechung der Verjährung hervorhebt, wird klargestellt, dass die Unterbrechungswirkung von den Voraussetzungen des § 235 Abs 2 und 3 ZPO abhängig ist (also von der Einwilligung des Gegners oder der dessen ungeachtet erteilten Zulassung durch das Gericht). Auch dabei handelt es sich um Voraussetzungen des Prozessrechts. Dasselbe gilt für die ebenfalls vom verstärkten Senat in der zitierten Entscheidung verlangte Voraussetzung des späteren Vortrags des Schriftsatzes in der mündlichen Streitverhandlung. Aus all dem ist abzuleiten, dass nur prozessual zulässige und wirksame Klageänderungen zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist führen können. Damit ist aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch § 163 Abs 2 ZPO zu beachten. Für seine Ansicht, kann sich das Berufungsgericht nicht mit Recht auf die Ausführungen von Fink berufen. Dort ist in Wahrheit nur von der Unterbrechung prozessualer Frist nach § 163 Abs 1 ZPO einerseits und von der unverzüglichen Fortsetzung des Verfahrens nach Fortfall des Unterbrechungsgrundes die Rede. Zu Recht verwies dagegen das Erstgericht auf § 163 Abs 2 ZPO, wonach die während der Unterbrechung von einer Partei in Ansehung der anhängigen Streitsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung sind. Auch nach Fink sind Parteihandlungen während der Unterbrechung vom Gericht als unzulässig zurückzuweisen. Nur Parteihandlungen, die lediglich auf Feststellung, Aufrechterhaltung oder Beendigung der Unterbrechung abzielen, wären auch während des Stillstands zulässig.

Egal in welcher gerichtlichen Handlung man einen allfälligen konkludenten Fortsetzungsbeschluss des Erstgerichts sehen will, kann dieser nicht vor der Ausschreibung der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 4. Juli 2008 erfolgt sein. Damit langte aber der Schriftsatz mit der Klageänderung noch während der Unterbrechung des Verfahrens beim Erstgericht ein. Soweit mit dem Schriftsatz die Fortsetzung des Verfahrens beantragt wurde, war er zweifellos zulässig, in seinem klageändernden Teil dagegen unzulässig.

Daraus folgt aber iSd obigen Ausführungen, dass ein derart unzulässiger und daher mit Recht vom Erstgericht zurückgewiesener Schriftsatz-(teil) nicht einer Klage iSd § 1497 ABGB gleichgehalten werden kann. Da auch kein weiterer Schriftsatz des Klägers eingebracht wurde, ehe (nach Ansicht des Erstgerichts) in der mündlichen Streitverhandlung vom 22. Oktober 2008 eine wirksame Klageänderung durchgeführt wurde, kommt richtigerweise auch für eine Unterbrechung der Verjährungsfrist kein früherer Termin als der eben genannte in Betracht.

Entgegen der Ansicht der zweiten Instanz kann daher dem Schriftsatz mit der Klageänderung eine Unterbrechungswirkung nach ABGB nicht zugebilligt werden. Eine wirksame Unterbrechung der Verjährungsfrist für das zuletzt allein anhängige Begehren auf Schadenersatz wegen fehlerhafter Beratung konnte damit erst am 22. Oktober 2008 erfolgt sein. Nach den eigenen Behauptungen des Klägers wusste er aber seit Zustellung eines Ergänzungsgutachtens in einem Vorverfahren, nach der Feststellung des Erstgerichts am 6. Oktober 2005, auch persönlich vom Inhalt dieses Gutachtens und damit von der angeblich unrichtigen Beratung durch die beklagte Bank. Damit waren ihm aber neben der Person des Schädigers die Umstände bekannt, auf die er seinen Verschuldensvorwurf stützt. Demnach ist aber der Einwand der Verjährung berechtigt.

Soweit die beklagte Partei weiters geltend macht, mangels entsprechenden formellen Beschlusses des Erstgerichts über die Fortsetzung des Verfahrens seien alle bisherigen Verfahrensschritte nichtig, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, dass sie daraus insofern keine Konsequenzen zieht, als sie ja nicht die ersatzlose Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen zum Zwecke der Fassung eines Fortsetzungsbeschlusses fordert, vielmehr sogar in erster Linie die Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils anstrebt. Zwar trifft es zu, dass nach den §§ 165, 166 ZPO die Wiederaufnahme bzw Fortsetzung des Verfahrens mit einem ausdrücklichen Beschluss vorgesehen ist. Nach einhelliger Rsp kann aber in den Fällen der Verfahrensunterbrechung gem §§ 187 ff ZPO (wie im vorliegenden Fall) im Hinblick auf die Rechtsmittelbeschränkung des § 192 Abs 2 ZPO ein nicht ausdrücklich die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens anordnender Beschluss als Aufnahmebeschluss iSd § 165 Abs 2 ZPO gewertet werden, wenn der Entscheidungswille des Gerichts, das unterbrochene Verfahren aufzunehmen, deutlich erkennbar ist. Auch wenn der beklagten Partei durchaus einzuräumen ist, dass aus der Anordnung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung ohne nähere Angaben ein solcher Fortsetzungswille noch nicht sicher ableitbar ist (wofür aber die Ausfertigung der richterlichen Ladung durch eine Kanzleikraft ohne Bedeutung ist), war der Fortsetzungswille spätestens in der Tagsatzung vom 22. Oktober 2008 nicht mehr zu übersehen, wurde darin doch nicht nur über die Fortsetzung, sondern sehr wohl in der Sache verhandelt. Weiters wurde auch in der Sache durch Verlesung von Urkunden Beweis aufgenommen. Da somit auch spätestens in der Tagsatzung vom 22. Oktober 2008 neben der schon erörterten Klageänderung auch das Verfahren iSd § 190 Abs 3 ZPO wiederaufgenommen wurde, ist auch nicht weiter zu prüfen, was rechtens wäre, wäre die Fortsetzung des Verfahrens erst nach dem Vortrag der Klageänderung in der mündlichen Streitverhandlung wirksam geworden.