OGH: Wettbewerbsrechtliche Sittenwidrigkeit im Fall einer Vertragsverletzung setzt zumindest Fahrlässigkeit hinsichtlich der Verletzung vertraglicher Bindungen voraus. Sittenwidrigkeit ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich die Vertragswidrigkeit erst aus einer best Auslegung des Vertrages ergibt und dieser auch anders gedeutet werden könnte
Mit Beschluss vom 9.11.2004 (GZ 4 Ob 212/04m) hat sich der OGH mit der Frage beschäftigt, ob eine Vertragsverletzung gleichzeitig sittenwidrig iSd UWG ist:
Die Klägerin erzeugt und vertreibt den Energydrink "Roaring Lion"; die Zweitbeklagte, deren Geschäftsführer der Erstbeklagte ist, erzeugt und vertreibt das nach Kaffe schmeckende Milchmixgetränk "Returnity Feel Better". Der Erstbeklagte war seit Gründung der Klägerin im August 2002 bis Juni 2004 Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin. Der Erstbeklagte ist mittelbar an der Klägerin und der Zweitbeklagten beteiligt. Er hat sich 2002 gegenüber der Klägerin vertraglich verpflichtet, "weder mittelbar noch unmittelbar auf eigene oder fremde Rechnung Geschäfte im Geschäftszweig der Gesellschaft zu tätigen noch ein mit der Gesellschaft in Konkurrenz stehendes Unternehmen zu gründen, sich daran zu beteiligen oder ein solches zu leiten ".
Die Klägerin macht gegen die Beklagten ua durch einstweilige Verfügung zu sichernde wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend: Der Erstbeklagte verstoße gegen das vertragliche Konkurrenzverbot und nütze die Vertriebswege der Klägerin für sein eigenes Produkt, die Zweitbeklagte habe davon Kenntnis. Die Beklagten wenden fehlendes Wettbewerbsverhältnis ein; auch seien der Klägerin die Beteiligungsverhältnisse des Erstbeklagten schon bei ihrer Gründung der Klägerin bekannt und vom vereinbarten Konkurrenzverbot nicht umfasst gewesen, wie der langjährige gemeinsame Bürobetrieb zeige.
Hierzu der OGH:Im Fall eines Vertragsbruches bedeutet nur eine subjektiv vorwerfbare, also zumind fahrlässige Verletzung rechtlicher Bindungen eine über die bloße schuldrechtliche Verantwortlichkeit hinausgehende unlautere, gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung. Eine Vertragsverletzung kann insb dann nicht als Verstoß gegen § 1 UWG gewertet werden, wenn sich die Vertragswidrigkeit des Handelns erst aus einer bestimmten Auslegung des Vertrages ergibt und dieser allenfalls auch anders gedeutet werden könnte.Die Entscheidung hängt von der Frage ab, ob das Verständnis der Beklagten vom Umfang des vereinbarten Wettbewerbsverbots eine vertretbare Auslegung des Vertrages bildet. Das Rekursgericht hat einen Vertragsbruch für nicht bescheinigt erachtet, weil die Pläne zur Einführung eines Milchmixgetränks vor Gründung der Klägerin den Gründern bekannt gewesen sei; im Hauptverfahren sei die Parteiabsicht zu ermitteln und festzustellen, ob auch der Vertrieb des Milchmixgetränks vom Wettbewerbsverbot umfasst sei. Ein Problem der Vertragsauslegung kann nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne der §§ 502 Abs 1, 528 Abs 1 ZPO sein, wenn dem Gericht zweiter Instanz eine auffallende Fehlbeurteilung oder eine wesentliche Verkennung der Rechtslage unterlaufen wäre. Ein derartiger Entscheidungsfehler liegt hier jedoch nicht vor, zumal auch einiges für die Auslegung der Beklagten spricht, ein Energydrink und ein Milchmixgetränk behinderten einander im Wettbewerb nicht.Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig.